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Mikado Monsters 2001

Ein packender Bericht aus Worms, der Stadt der Nibelungen und anderer Sporthelden

Schnellmikado: Krimuk stierte und zog. Vishnu kopierte. Kopfhörer fielen auf Parkett

Zum Landesbank-Rheinland-Pfalz-Match traten nach der zufriedenstellenden Abwicklung der Prologpartie, der Sparkasse-Worms-Begegnung zwischen den Großmeistern Blank (England) und Kelo (Ungarn), vor wenigen Tagen – und von der Öffentlichkeit kaum beachtet – der Inder Paul „der Weise“ Vishnu, seines Amtes „bester Schnellmikado-Spieler der Welt“ (Programmheft zu den Mikado Monsters 2001), Defu-Weltchampion, Nr. 3 der Weltrangliste und „schneller Brüter“, und der ehedem verdienstvolle Karlow-Sekundant und -Einflüsterer sowie aktuelle Braingames-Weltmeister Fjodor Krimuk (Nr. 2 der Weltrangliste) an. Sie machten dies gut.

Anfang Juli trafen sie in der Wormser Rheingoldhalle aufeinander. Der Veranstalter wollte es so. Abseits des altstädtischen „Wormser Savoir-vivre“ sah Oberbürgermeister Hermann Beusel einen „Event“ heraufziehen, der „bei zahlreichen Sponsoren in der Wormser Wirtschaft für Aufbruchstimmung sorgte“ und „mit Glück und spannenden Spielen gekrönt werden“ sollte.

Kelo, der Ungar, saß eine Reihe hinter uns. Der zwanzigjährige Bube pelzte die eigene Herzdame und dachte an etwas. Ein englischer, aprikosengelb gewandeter Großmeister erwog einige überraschende Bewegungen seines Ranzens. Um „ein höchst anspruchsvolles Turnierprogramm für Worms zu basteln“, scheute Beusel keine Anstrengung. Diese Arbeit durfte als gelungen betrachtet werden.

Dr. Köhler, Mikadomeister Mitteldeutschlands, war nicht erschienen. Der Präsident der Mikado Monsters Worms 2001, Siegfried Müller, machte es wett. Er hielt eine Rede, wie sie im Programmheft stand. „Mit dem Wormser Oberbürgermeister Hermann Beusel fanden wir zum ersten Mal ein Stadtoberhaupt, das nicht nur ein ausgesprochener Könner mit den Stäben ist. Er versteht es auch, Sponsoren für den traditionsreichen Denk- und Geschicklichkeitssport zu gewinnen.“

„Die beiden Stammgäste“, schmetterte Müller ins Mikrofonpolster, „fühlen sich nur bei den Mikado Monsters verpflichtet, solch ein voller Prestige steckendes Match zu bieten!“ Krimuk, ganz starr, schielte währenddessen zur Decke. Ein Zeichen.

Die Mikadofreunde kamen zur Ruhe. Fight stand bevor. Sie ergriffen die Kopfhörer, über welche der Großmeisterkommentar zu hören war. Die Luft legte an Wärme zu.

Herr H. schob die Sonnenbrille die Stirn hinauf. Krimuk dachte schon. Vishnu tat ebenso. Subkontinentale Reporter schärften die Objektive. „Ein voller Prestige steckendes Schnellmikadoduell“ (Programm) schoss los.

Müller zupfte das Jackett in Lage. Krimuk stierte und zog. Vishnu kopierte. Kopfhörer fielen auf Parkett. Stämmige Mikadoverständige nickten. Einer flötete und erhielt beinahe einen Verweis Richtung Lobby.

Ein alter ungarischer Großmeister in schimmelgrauen Sandalen suchte Pils. Weltranglistenpunktetafeln prangten gegenüber dem Tresen. Herr H., ein Käsebrötchen erhaschend, dankte für den „Kaffee, den sie überhaupt herbrachten“. „Der moderne Mensch ist ein moderner Mensch“, gab er zu verstehen.

Das Duell der Weltmeister endete nach der zweiten Partie fast schon unerwartet. Vishnu erhob sich, gab Hand und quittierte mit den Worten „Sorry, guys!“ den Haufendienst. Gemurmel unter den Anwesenden, auch den Cola-Kindern.

Der Saal brodelte wenig bis nicht. Die freimütig elend gekleideten Fans beschauten die auf Papier gehefteten Fotos des letztjährigen Mikadoevents. Das Fest der fingerfertigen Cracks kam zu einem Ende. Nur konnte man die wichtige Frage auch diesmal nicht definitiv klären: ob am Tisch der Weltstarmikadokämpfer geraucht werden darf – ein Diskussionspunkt, der beim nächsten Turnier der Champions allemal der neuerlichen Erörterung zuzuführen ist. Müller äußerte abschließend die Hoffnung, anlässlich der Mikado Monsters 2002 eine Lösung präsentieren zu können.

Wir wünschen es ihm und uns. JÜRGEN ROTH

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