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Moritz Bleibtreu als Andreas Baader

■ Das Filmstudio zeigt eine Woche lang US-amerikanische Independent-Filme

Der Titel ist wohl ein wenig zu grandios: Wenn diese vier Filme wirklich „The Best of American Independent Filmmakers“ wären, dann ginge es dem US-amerikanischen Kinonachwuchs nicht sehr gut.

„The Best“ wird auf Festivals gefeiert und kommt jeweils als große Entdeckung auf die Leinwände, hier wird eher das gute Mittelmaß gezeigt: Filme, die nicht ganz gelungen, aber auch nicht wirklich schlecht sind, und bei denen der Filmverleih „Kinowelt“ sich schon ausrechnen konnte, dass sie alleine keine Chance in deutschen Kinos haben würden. So war es eine smarte Idee, sie als Paket zusammenzustellen, das im flauen Sommerkino auf Reisen durch die Städte geht.

Drei von den vier Filmen, die übrigens alle in den Originalfassungen ohne Untertitel gezeigt werden, sind nicht unbedingt gut, aber interessant. Der vierte „The Price of Glory“ ist ein den Regeln des Genres folgender Boxerfilm, und davon gibt es schon genug.

In „Invisible Circus“ von Adam Brooks kann man dagegen Moritz Bleibtreu in der Rolle von Andreas Baader bewundern – zudem durfte er noch Cameron Diaz ausschimpfen. Das ist doch schon mal was! Der Film erzählt von der 18-jährigen Phoebe, die in den 70er Jahren nach Europa reist, um dort den Spuren ihrer Schwester Faith zu folgen, deren Selbstmord in Portugal ihr ein Rätsel geblieben ist.

Die Schwäche des Films liegt darin, dass dieses Rätsel in einer hochkomplizierten Reihe von Rückblenden gelöst wird. Das ist dramaturgisch unbeholfen, und manchmal schlicht lächerlich. Etwa, wenn Faiths englischer Freund Wolf gleich dreimal groß verspricht, Phoebe die „ganze Wahrheit“ zu sagen, nur um dann (aus rein dramaturgischen Gründen) das Wichtigste für seine nächste Beichte (und die folgende Rückblende) aufzusparen. Das Geheimnis bestand schließlich darin, dass sich Phoebe als politisch bewegte Touristin in den 60er Jahren, mit europäischen Terroristen einließ, dabei am Tod eines Wachmanns schuldig wurde und damit nicht leben konnte.

Dieser amerikanische Blick auf die politischen Zustände im Europa der 60er & 70er Jahre ist ziemlich naiv, und Moritz Bleibtreu ist als Andreas Baader natürlich ein Witz, aber gerade diese Brüche, gerade dieser Außenblick auf unsere jüngere Vergangenheit macht den Film interessant.

Schauspielerisch ist er mit Christopher Eccleston und der jungen Jordana Brewster als Phoebe sehr gut besetzt, und Cameron Diaz, die sich hier wohl an einer „anspruchsvolleren“ Rolle versuchen wollte, spricht sogar einen Satz in wunderschön falsch klingendem Deutsch.

Die anderen beiden Filme des Pakets, „Ghetto Superstar“ und „Love and Basketball“, sollte man unbedingt nacheinander ansehen, denn sie sind wie die beiden Seiten einer Münze. Es geht darum, wie Afroamerikaner sich selbst im US-Kino darstellen, und die beiden von Schwarzen inszenierten Filme zeigen die Extrempositionen dieser politisch/kulturellen Auseinandersetzung. „Ghetto Superstar“ bestätigt alle Klischees, die man von schwarzen Jugendlichen in den USA hat. Die „Helden“ rappen, dealen, wedeln mit Waffen herum, reden nur davon, dass man ihnen „Respekt“ zollen soll, verdienen sich diesen aber nicht.

Der Film ist schnell, modisch, laut und spekulativ, und der positive Held Diamond wird nur deshalb als Rollenmodell verkauft, weil er nicht ganz soviel herumschießt wie sein Freund Gage und außerdem Noten lesen kann.

Madonna ist Co-Produzentin dieses Debütfilms von Robert Adetuyi, und das sagt bereits vieles. Spike Lee kämpft mit seinen Filmen schon lange gegen diese Stereotypen an, die er nicht unbegründet für rassistisch hält.

Er hat nun wiederum „Love and Basketball“ produziert, den die Regisseurin Gina Prince-Bythewood so sklavisch nach Lees „Regeln des afroamerikanischen Kinos“ inszeniert hat, dass er eine andere Art von Dogmafilm geworden ist. Er spielt unter Afroamerikanern der oberen Mittelklasse: Alle Filmfiguren leben in großen Villen, fahren teure Autos, leben materiell sorgenfrei.

Die Protagonisten sind junge Basketballspieler, natürlich gehören sie zu den besten, und der Hauptkonflikt des Films besteht darin, dass Monica ihrer Jugendliebe Quincy beweisen will, dass Frauen genau so gut Basketball spielen können wie Männer.

Der Film ist so bemüht politisch korrekt, dass man in jeder Szene die Hinweisschilder zu sehen glaubt. So gibt es ein paar schöne Absurditäten, die den sehr langen Film dann doch nicht langweilig werden lassen. Wenn zum Beispiel die beiden zum ersten Mal miteinander schlafen, schafft es Quincy, mit einer Hand Monica auszuziehen und sich gleichzeitig mit der anderen pflichtgemäß das Kondom überzuziehen. So lächerlich kann PC sein.

Wilfried Hippen

Die Filme laufen in dieser Woche im Filmstudio, Zeiten siehe Kinotaz

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