: Wundersame Wasserwerks-Errettung
Senat gibt endlich 1,2 Millionen für Ausbau des Billstedter Kulturpalasts frei. Alle fröhlich ■ Von Petra Schellen
Gar manch Theoretisches lässt sich reden über lokale Identität und die Teilhabe derer, die Stadtteilkultur mitgestalten sollen. Aber Papier ist geduldig, die Gehörgänge der meisten sind durchlässig, und wenn es um das eigene Engagement geht, ist Zeit oft plötzlich zu kostbar für praktizierten Idealismus.
Etliche Billstedter sehen das allerdings anders: Vier Gruppen – MitarbeiterInnen der Kirchengemeinde, eine Frauengruppe, jugendliche Mitglieder eines Musikprojekts sowie ein Kreis von Privatpersonen – haben angeboten, dem darbenden Stadtteilkulturzentrum im Wasserwerk aus den roten Zahlen zu helfen: „Damit die Monate des jetzt beschlossenen Umbaus – voraussichtlich bis Herbst 2002 – überbrückt werden können, wird an je einem Abend pro Woche jede dieser Gruppen den Gastronomiebetrieb ehrenamtlich aufrecht erhalten“, sagt Karsten Knigge, Sprecher des Kulturzentrums, das jetzt seine vorläufige Errettung feiern kann: Mit 1,2 Millionen Mark, so verkündete es in dieser Woche Kultursenatorin Christina Weiss, wird die Behörde den dringend nötigen Ausbau des Kulturpalastes fördern – eine Maßnahme, die Lärm-, Raum- und, mittelfristig, Finanzprobleme lösen hilft. Denn einerseits kann mit Hilfe eines Glasanbaus der Eingang von der Gebäuderückseite, wo sich die Anwohner massiv gestört fühlen, auf die Vorderseite verlegt werden. Andererseits soll im selben Glasanbau ein Restaurant mit 75 Plätzen untergebracht werden, das – anders als die derzeitige 30-Platz-Kneipe – gewinnbringend bewirtschaftet werden kann.
Ein bedeutender Fortschritt, da Versuche, den Gastronomiebetrieb zu verpachten, in der Vergangenheit immer wieder an der geringen Platzzahl gescheitert waren. Die Folge: ein stetig wachsendes Loch im Budget des Kulturpalastes, der ohnehin unter dem Druck steht, beträchtliche Eigeneinnahmen vorzuweisen, da die institutionelle Förderung bereits seit sechs Jahren stagniert.
Jedoch – einige Brosamen soll es jetzt geben: Nicht nur, dass die Kulturbehörde das in den Jahren 2000 und 2001 entstandene Defizit übernehmen wird. Auch soll der neue Glasvorbau, der den Blick auf das denkmalgeschützte Gebäude bewusst nicht behindert, einen schalldichten Eingangsbereich sowie eine von der großen Halle abgetrennte, lärmgeschützte Restauration ermöglichen. Ein Detail, das größere Pla-nungsfreiheit bringt: „Bei der Eröffnung des Kulturpalastes beruhte das Konzept auf möglichst großer Verzahnung von Wasserbunker, Halle und Gastronomie – auch, weil die räumlichen und finanziellen Gegebenheiten nichts anderes zuließen“, so Knigge.
Künftig aber können alle Bereiche unabhängig voneinander genutzt werden: Der Wasserbunker kann – 100 Personen fassend – als Disco fungieren, während in der ebenerdigen Halle bis zu 130 Personen Platz finden. Lärm soll dabei für die Anwohner, deren Häuser bis auf acht Meter an die Wasserwerk-Rückseite heranreichen, nicht mehr anfallen: Schalldichte Fenster werden jetzt in der Halle eingebaut – ein wichtiges Detail, denn „ohne Lärmschutz hätten wir den lukrativen Vermietungsbereich auf Dauer einstellen müssen. Und das wäre für das Kulturzentrum existenzgefährdend gewesen“, wie Kulturpalast-Leiterin Dörte Inselmann betont.
Fertig sein sollen die Arbeiten, so hofft die Belegschaft, „möglichst zum 75-jährigen Billstedt-Jubiläum im Herbst 2002“. Weitere langwierige Vorplanungen werden jetzt, wo die Behörde grünes Licht gab, jedenfalls nicht nötig sein: Seit einem dreiviertel Jahr bereits hat der Kulturpalast einen Planungsauftrag der Kulturbehörde, der so weit gediehen ist, dass nur noch Details zu klären sind.
Beginnen sollen die Bauarbeiten noch diesen Sommer – und dann wird auch bald die neue PR starten, die auf neuen Voraussetzungen basiert: „Etliche Anfragen örtlicher Vereine nach Räumen für größere Feste mussten wir bisher wegen der begrenzten Kapazitäten ausschlagen“, bedauert Knigge. Das werde künftig nicht mehr nötig sein.
Und wenn auch noch keine konkreten Zahlen genannt werden, erhofft sich Dörte Inselmann von den Umbauten, die unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ stehen, eine weitere Erhöhung des erwirtschafteten Eigenanteils, der auf stabilen Gastronomie- und Vermietungseinnahmen basiert. „Denn noch mehr Veranstaltungen zu organisieren ist weder strukturell noch finanziell möglich, zumal man nicht sämtliche Aufgaben an ehrenamtliche Mitarbeiter delegieren kann. Und irgendwann ist auch die Grenze der persönlichen Belastbarkeit mal erreicht.“
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