Mehr als nur Sport

Nachdem viele Sportler aus Angst vor Terror absagten, beginnt heute in Jerusalem die 16. Makkabiade

BERLIN taz ■ „Wenn gar nichts mehr hinhaut, muss ich halt selbst mit aufs Feld“, sagt Michael Schmargon. Er ist 42 Jahre alt, war früher ein passabler Volleyballspieler, dessen Club in der Berliner Bezirksliga mittut, und wenn gar nichts mehr hinhaut, wird Schmargon deutscher Nationalspieler. Er gehört nämlich als Funktionär zum Rumpfteam der deutschen Delegation, die an der 16. Makkabiade teilnimmt, die heute in Jerusalem beginnt. Nur 70 deutsche Teilnehmer, darunter zehn Funktionäre, sind nach Israel zur „jüdischen Olympiade“, dem drittgrößten Sportfest der Welt – nach Olympischen Spielen und Universiade –, gereist. Dass das seit 1932 existierende Sportfest so groß ist, sagen die Veranstalter, aber die rechneten ja bis vor wenigen Monaten auch noch mit über 4.000 Teilnehmern aus der jüdischen Diaspora in der ganzen Welt. Doch selbst bei weniger interessegeleiteter Berechnung zählt die Makkabiade noch zu den fünf größten Veranstaltungen der Welt.

In diesem Jahr kamen 2.060 ausländische Teilnehmer, dazu rechnen die Veranstalter von der Makkabi World Union (MWU) noch 1.000 teilnehmende Israelis. Zugesagt hatten Delegationen aus 53 Ländern, nun sind nur knapp 40 da. „Wir hatten aber nie einen Zweifel, dass die 16. Makkabiade stattfindet“, gab sich Uzy Zwebner, der Vorsitzende des von der MWU eingesetzten Organisationskomitees, im Vorfeld trotzig und setzte noch einen drauf: „Tatsächlich überschreiten unsere Sicherheitsstandards sogar die, die für die israelische Regierung gelten.“

1932 begann das Weltfest des jüdischen Sports mit 300 Teilnehmern aus 13 Ländern. 1935 fand es zum zweiten Mal statt, seither alle vier Jahre. Es ist stetig gewachsen, und es hat immer in Palästina, seit 1948 in Israel, stattgefunden. Doch noch nie, auch nicht zu Zeiten offener Kriege, war die Durchführung so gefährdet wie dieses Jahr. Wegen der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern in den letzten Monaten geht bei vielen ausländischen Sportlern die Angst um. Dass die vielen Absagen die Makkabiade sportlich entwerten, will die MWU nicht wahrhaben. Sie verweist auf den Glanz, den Spitzensportler wie etwa der dreifache Schwimm-Olympiasieger von Sydney, Lenny Krayzelburg, verbreiten. Der Amerikaner verzichtet wegen der Makkabiade sogar auf die Schwimm-Weltmeisterschaften, die heute in Japan begonnen haben. „Ich wollte schon immer an der Makkabiade teilnehmen, es ist für mich wesentlich mehr als nur ein Ort zum Schwimmen“, sagte der im ukrainischen Odessa geborene Rückenschwimmer, als er vergangene Woche in Israel eintraf.

Auf Krayzelburgs Teilnahme ist die MWU sehr stolz, denn viele andere jüdische Sportler haben abgesagt. Die amerikanische Delegation, traditionell nach der israelischen die größte, sollte in diesem Jahr aus über 600 Athleten bestehen, es kamen aber nur etwas mehr als 300. Krayzelburg steht da gegen den Trend, und er findet sich in einer Reihe mit anderen großen jüdischen Sportlern, die früher einmal an der Makkabiade teilnahmen: Mark Spitz etwa, der Schwimmer, der 1972 siebenmal olympisches Gold holte, war 1969 als Sportler, 1985 bei der Eröffnungsfeier als Ehrengast der umjubelte Star. Auch der amerikanische Tennisprofi Brad Gilbert trat an, wie auch die NBA-Basketballprofis Ernie Grunfeld, Danny Schayes und sein berühmter Vater Dolph. Direkt aus der NBA kam in diesem Jahr noch Herb Brown, der das US-Basketballteam coacht. In den NBA-Finals war er Trainerassistent seines berühmteren Bruders, Larry Brown, Coach der Philadelphia 76ers.

Die vielen Absagen führten zu einer drastischen Kürzung des Programms: Statt der traditionellen zehn Tage dauert die Makkabiade diesmal nur eine Woche. Die Baseball-, Badminton- und Beachvolleyball-Wettbewerbe wurden ganz gestrichen, Halbmarathon und Triathlon ebenso. Vom TuS Makkabi Berlin, dem größten jüdischen Sportverein in Deutschland, fuhren nur die Schachspieler und eine Hand voll Volleyballer nach Israel. „Unser Frauenteam“, sagt Funktionär Schmargon, „könnte maximal aus sechs Personen bestehen, mehr kriegen wir nicht für den Kader zusammen. Da braucht man gar nicht zu einem solchen Turnier zu fahren.“

Die Absagen, die sogar eine Debatte bewirkten, ob die MWU die Spiele nicht besser erstmals in ein anderes Land vergeben oder um ein Jahr verschieben sollte, stellten nicht das einzige Problem dar. In Erinnerung an die Tragödie bei der Eröffnungsfeier vor vier Jahren, als beim Einsturz einer provisorischen Brücke vier australische Teilnehmer den Tod fanden, weil sie in einen völlig verschmutzten und vergifteten Vorortfluss fielen, forderte in der letzten Woche eine israelische Umweltschutzorganisation die angereisten Sportler zum Boykott der Spiele auf. Die Initiative, vorgetragen von einem Tel Aviver Stadtrat, blieb freilich ohne Erfolg. „Israel ist halt nicht Mallorca“, sagt Alon Meyer, Pressesprecher von Makkabi Deutschland, wenn man ihn auf die vielen Diskussionen anspricht. „Unsere Teilnahme an diesem Sportfest ist eben auch Ausdruck der Solidarität mit diesem Land.“ MARTIN KRAUSS