: Tauziehen um's große Ypsilon
■ Statt das Milliarden-Projekt Y-Trasse zu forcieren, will die Bahn jetzt Strecken ausbauen / Hätte man gleich aufs Y verzichtet, könnten die Ausbauten heute längst fertig sein
Die Bahn will offenbar nicht mehr. Zwar halte man grundsätzlich an den Plänen einer Y-Trasse zwischen Hamburg, Bremen und Hannover fest, betont DB-Sprecher Norbert Giersdorff. Aber: „Wir müssen Schwerpunkte setzen.“ Und die sitzen jetzt woanders: Im Ausbau schon bestehender Strecken zum Beispiel, statt milliardenschwerer neuer Trassen. In den Bundes-Verkehrswegeplan hat die Bahn das umstrittenen Projekt jedenfalls nicht mehr gemeldet.
Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht das 2,5 Milliarden-Projekt inzwischen vor dem Aus. „Aus ökologischer und ökonomischer Sicht“ wäre das absolut richtungsweisend“, meint Michael Frömming. Und fordert, dass Land und Bahn endlich den Ausbau der Alternativ-Strecken angehen. Schließlich habe man dank der Y-Visionen den „Ausbau wichtiger Strecken jahrelang künstlich verzögert.“ Strecken also, die nach dem letzten Verkehrswegeplan heute schon längst ausgebaut sein könnten, hätte nicht damals jenes Ypsilon die Planungen zurückgestellt. „Jahrelang ist hier doch überhaupt nichts passiert“, ärgert sich Frömming.
Die Länder Bremen, Hamburg und Niedersachsen sehen die ganze Geschichte anders: Sie halten weiterhin an dem großen Buchstaben auf der Landkarte fest und haben ihrerseits die Trasse im Bundesverkehrsministerium angemeldet. „Jetzt geht die Diskussion erst richtig los“, behaupten sie. Schließlich entscheidet der Bund und nicht die Bahn. Und wäre es da immer nur um die rein wirtschaftlichen Betrachtungen der Bahn gegangen, dann würden mehrere Trassen heute schon nicht mehr existieren.
Die Hoffnung der Länder: Das Ypsilon könnte den Mischverkehr aus ICEs, Bimmelbahnen und Güterzügen auf den Strecken zwischen den Landeshauptstädten mit einer Schnellspur für die Flitzer entzerren. Auch für Güter würde das zusätzliche Kapazitäten schaffen. Schließlich würden bis 2015 deutlich mehr Güterzüge rollen, wenn die Bahnpläne aufgehen und wenn vom künftigen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven erst die Container rollen.
Dabei sind die Strecken jetzt schon fast dicht, rechnet das Verkehrsministerium in Hannover vor: 130 Züge täglich zwischen Hamburg – Hannover, viel mehr ginge einfach nicht. Auch die Strecke Bremen – Hannover sei mehr als ausgelastet. „Der Nahbereich Hannover ist damit jetzt schon überlas-tet“, meint Sprecherin Ulrike Dettmer.“ Außerdem schaffen es die Züge per Hochgeschwindigkeitstrasse schneller in die nächste Stadt. Zeitersparnis von zehn bis 20 Minuten wären möglich.
Vergangenen Sonntag zum Beispiel war wieder so ein Tag, der die Y-Befürworter beflügelt hätte. Ein ICE auf der Strecke Hannover – Bremen hing irgendwo in der niedersächsischen Pampa fest. Vor ihm hat ein Güterzug schlapp gemacht, der feine Sausezug musste warten. Mit Y-Trasse wäre das nicht passiert.
Allerdings würde so ein Schienen-Dreieck teuer werden: 2,5 Milliarden Mark, die mehrere Naturschutzgebiete in der Heide zerfräßen. Ein Ausbau der vorhandenen Strecke wäre dagegen viel sinnvoller, meinen die Y-Gegner. Ihrer Meinung nach bräuchten nur die „Flaschenhälse“ vor den Bahnhöfen wie in Verden ein weiteres Gleis, statt eine neue Trasse flächendeckend durch Heide zu legen, ärgert sich Frömming: „Das starre Festhalten der Länder an der Y-Trasse macht das Projekt nicht sinnvoller.“ Im Herbst jedenfalls wird sich zeigen, wie die Kommission im Bundesministerium, die über den Wegeplan entscheidet, über die Pläne in der Heide denkt. Bis dahin will man sich auf die „vordringlichen Projekte“ geeinigt haben. Denn alle 82 angemeldeten Ideen auf der bundesweiten Wunschliste werden schlicht nicht zu finanzieren sein.
Dorothee Krumpipe
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