: Studium hängt am Geldbeutel
Der jüngste Bericht über die soziale Lage der Studierenden stellt Bildungsministerin Bulmahn ein schlechtes Zeugnis aus: Immer mehr Studenten kommen aus begüterten Elternhäusern. Kinder armer Leute haben es schwer an deutschen Unis
von CHRISTIAN FÜLLER
Der Pressestab von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) musste in den letzten Tagen wieder Schwerstarbeit leisten. Bulmahns PR-Leute versuchten zu verhindern, dass der jüngste Bericht über die soziale Lage der Studierenden verfrüht herauskommt. Die Ministerin will die Studenten-Studie morgen lieber höchstpersönlich interpretieren. Kein Wunder – ausweislich der neuesten Zahlen des Deutschen Studentenwerks fällt die rot-grüne Sozialbilanz an den Hochschulen ernüchternd bis deprimierend aus. Die Zahl der Studierenden aus begüterten und gebildeten Elternhäusern steigt weiterhin, Kinder armer Leute finden immer seltener den Weg an die Hochschulen. Daran hat auch Bulmahns Bildungspolitik wenig ändern können.
Die „16. Erhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden“, die der taz vorliegt, weist nur auf den ersten Blick bescheidene Erfolge aus. Danach ist die Zahl der Bafög-Empfänger minimal gestiegen – von 18,6 auf 19,8 Prozent im Jahr 2000. Der letzte Bericht aus der Amtszeit von CDU und FDP stammte aus dem Jahre 1997. Seitdem ist es Rot-Grün gelungen, den Niedergang der Bafög-Quote unter Kohl zu stoppen. Mehr nicht.
In den Kreisen der Studentenforscher, die wegen des ministeriellen Maulkorbs nicht namentlich genannt sein wollen, ist man enttäuscht: Die Politik von Bulmahn und ihren grünen Mitstreitern habe keine „spürbare Wende“ beim Zugang zu den Hochschulen bewirkt. Weiterhin trägt das Bafög nur mit kümmerlichen zehn Prozent zum Studi-Einkommen bei. Die Hälfte tragen die Eltern zum Unterhalt bei, zu einem Drittel stammt das Haushaltsgeld der Studis aus eigener Arbeit.
Die Studie enthält alarmierende Details. Die im Bericht „niedrige soziale Herkunftsgruppe“ genannte Klientel etwa wird an den Hochschulen immer kleiner. 13 Prozent dieser Kinder aus Familien mit geringem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau finden sich noch an deutschen Hochschulen – im Durchschnitt. An den Unis sind es noch 12 Prozent, im Osten der Republik nur ein Zehntel. Tendenz sinkend.
Kanzler Gerhard Schröder, der sich wie die Friseurinnentochter Bulmahn aus der niedrigen Herkunftgruppe hochgearbeitet hat, hatte als Maxime seiner Bildungspolitik ausgegeben, dass die Frage eines Studiums nicht am Geldbeutel hängen dürfe. Genau das aber ist der Fall – und zwar zusehends stärker, wie der Bericht nachweist. Betrachtet man die zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen, dann sinkt die Zahl der „Kleine-Leute-Kinder“ rapide. Ein Viertel der Studenten stammte im Jahr 2000 aus Elternhäusern mit einem Zugriff auf bis zu 4.000 Mark Netto. 1997 war es noch ein Drittel gewesen.
Interessant ist der Vergleich mit den Zöglingen aus begüterten Häusern – ihr Anteil an den Universitäten wächst und wächst. 34 Prozent der Studenten kamen im Jahr 2000 aus Familien mit einem Monatsnetto jenseits der 6.000 Mark. Das ist nicht nur ein Zuwachs von mehr als sechs Prozent seit 1997. Darin steckt vor allem auch eine krasse Differenz zum Anteil der 6000-plus-Gruppe in der Gesamtbevölkerung: Davon gibt es nämlich anteilig nur 19 Prozent. Die Schichtung an der Hochschule bildet die bestehende Ungleichheit in der Gesellschaft also verschärft ab.
Bildungsministerin Bulmahn passen die Zahlen überhaupt nicht in den Kram. Gerade tourt Guildo Horn als lustiger Bafög-Botschafter durchs Land, um die Studienförderung bekannt zu machen, die gerade in Kraft getreten ist. Aber selbst diese ungewöhnliche PR-Maßnahme fruchtet bislang nicht – die Studis kennen das Bafög einfach nicht mehr. Daher sollen die Mitarbeiter der Studentenwerke am Wochenende in Werbeseminaren in Bonn und Berlin nachsitzen. Schon wieder Überstunden für die Propaganda-Abteilung aus der Hannoverschen Straße in Berlin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen