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berliner szenenObstquark

Riecht wie Keller

Als ich ihn zuletzt gesehen habe, war er noch proper. Jetzt ist E. ausgemergelt und redet von bewusstem Essen. Vor kurzem hat ihm ein Freund viel Geld über den Tresen geschoben, damit er, der bisher nur angestellter Barmann war, eine eigene Bar aufmachen kann.

In dieser Bar, mitten in Schöneberg, sitzen wir jetzt. Es ist der erste Abend, an dem E. aufmacht. Wir sind die Ersten und bleiben die Letzten. E. hat schon so viel für Abstand und Schutzgelder ausgegeben, dass die Bar immer noch furchtbar aussieht: Es riecht nach Keller, und die Wände sind dunkelgrün. Wenn Geld für neue Deko da ist, meint E., müssen die Spielautomaten raus. Zuerst muss aber das Problem behoben werden, dass man von außen nicht reingucken kann. Dadurch verwechseln viele Freier die Bar mit dem Puff nebenan, erzählt E. „Und dann stehen die schnauzbärtigen Türken hier rum und halten mich für einen von ihnen.“ Dabei ist die Mutter von E. Kroatin, sein Vater Rumäne. Wir streiten uns mit E. über den Namen seiner Bar. Er findet ihn auch blöd, hat ihn aber ausgesucht, weil es derselbe Name ist wie der einer Marke einer bekannten Bekleidungsfirma. Und die haben sich schon interessiert gezeigt. E. meint, er hat was Neues entdeckt. Immer mehr Firmen würden nach coolen Locations für Meetings suchen, wo ihre Manager gute Drinks bekommen und ihre Havannas rauchen dürfen. Wir hoffen, dass an dieser Theorie was dran ist. Noch mixen seine Kumpels den Cocktail für lau. Putzen tut E.s Mutter. Und seine Freundin, die keinen Alkohol trinkt, würde Obstquark machen. SUSANNE MESSMER

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