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Die Gameshow-Offensive

Ein zartes TV-Pflänzlein rankt sich wieder durch die Fernsehlandschaft

Für die Firmen ist der Werbe-effekt groß genug, um allerlei Restposten springen zu lassen

Die Jagd nach dem schnöden Mammon, die die Millionen-Quizshows zum Medienhype des vergangenen Jahres machte, überwucherte fast ein anderes, zarteres Pflänzlein der TV-Landschaft, die gute alte Rateshow, die den Mitspieler mit bescheidenen, aber geschmackvollen Sachpreisen zu verlocken weiß. Drehzahlgesteuerte Dosenöffner, handvergoldete Fußpflegesets und andere unverzichtbare Artikel des täglichen Bedarfs – alles kann der Kandidat in den farbenfroh ausgestatteten Studios der TV-Gameshows gewinnen. Topgekleidete Moderatoren weisen auch dem nur mäßig begabten Teilnehmer die Eselsbrücke zur gewinnbringenden Antwort und einer kleinen Anerkennung in Form einer hochmodischen, aubergine-rosa gemusterten Freizeitkombination im Tchibo-Look.

Für die preisstiftenden Firmen ist der Werbeeffekt derartiger Gameshows offenbar groß genug, um allerlei Restposten springen zu lassen. Doch während die Privatwirtschaft Formate wie „Glücksrad“ schon wieder sanft entschlummern lässt, haben mit mehrjähriger Verspätung Behörden, Körperschaften des öffentlichen Rechts und gemeinnützige Institutionen die Sympathieförderung via TV-Show entdeckt. Ein bunter Strauß an originellen Spielideen soll den mausgrauen Verwaltungsapparaten aus dem kilometertiefen Imageloch helfen.

Den Vorreiter macht einmal mehr die Fremdenverkehrsförderung des Landes Niedersachsen. Um das Akzeptanzproblem der Norddeutschen Tiefebene bei den süddeutschen Urlaubern zu beheben, wurde eigens eine neue, speziell auf bayerische Zuschauer zugeschnittene Rateshow mit dem Titel „Der Preiß’ ist heiß“ entwickelt. Die Mitbürger südlich des Weißwurstäquators sollen mit vielen reizvollen Reisepreisen von den durchaus vorhandenen liebenswerten Eigenschaften der „Preußen“ und den natürlichen Schönheiten ihrer tiefer gelegten Landschaften überzeugt werden.

Privatisierung hin, Privatisierung her, die Deutsche Post stellt sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung. Mit der Finanzierung einer Rateshow will sie den immer noch viel zu geringen Bekanntheitsgrad der neuen Postleitzahlen steigern. „Vergißmeinnicht 64387“ soll das Ratespiel heißen, bei dem die Kandidaten die Postleitzahlen der Wohnorte prominenter Persönlichkeiten herausfinden müssen. Mit dem Spiel, das ganz im Stil des „Heiteren Beruferatens“ ablaufen wird, will die Post ihrem „Jahrhundertziel“ – jeder Deutsche ein wandelndes Postleitzahlenlexikon – einen großen Schritt näher kommen.

Davon wird auch der „Förderkreis Briefkultur“ profitieren, der den dramatischen Rückgang des Briefeschreibens in unserem Lande bekämpfen will. In „Schreibe mir!“, so der Titel der von der Stiftung gesponserten TV-Show, soll die fast vergessene Kunst des Briefeschreibens einem breiten Publikum in unterhaltsamer Form nahe gebracht werden. Romantische Liebesbriefe und reumütige Versöhnungsbriefe werden ebenso eingeübt wie diplomatisch formulierte Mahnungs- oder Entlassungsschreiben. Garniert wird diese amüsante Schreibeshow mit Briefmarken-Gewinnspielen und Tipps zur hohen Schule des richtigen Frankierens ...

Auf vielfachen Wunsch präsentiert die „Stiftung Handarbeiten“ der Grundwertekommission des Deutschen Bundestages in Kürze ein neues Gewinnspiel: Bei „Glücksnaht“ gilt es, Fragen rund um das Thema Handarbeiten zu beantworten. Die Siegerinnen der ersten Runde treten dann im Finale in den praktischen Disziplinen gegeneinander an. Wer Kreuzstich, Hohlsaum oder ausgefallene Klöppeltechniken beherrscht, hat gute Chancen, einen der reizvollen Gewinne mit nach Hause zu nehmen. Dies dürfte die erste Sendung sein, die zu hundert Prozent selbst gestrickt wirkt.

Wie aus Kreisen der Deutschen Rechtschreibkommission verlautet, wollen die Gralshüter der deutschen Sprache mit der neuen Spielshow „Deutsch ist heiß“ endlich von ihrem Oberlehrerimage wegkommen und das Publikum auf spielerische Weise mit den Regeln der neuen Rechtschreibung vertraut machen. Geplant sind spannende Spiele rund um die vertrackte deutsche Orthografie, die das bisherige Reformdebakel „ausbügeln“ sollen. Der Preis für den Gewinner des kniffligen Spiels steht auch schon fest: zwei Wochen Urlaub in der Dudenredaktion in Mannheim. Na denn, fiehl Spas! RÜDIGER KIND

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