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Die Amerikaner fallen kaum auf

Auf dem Klimagipfel in Bonn schauen alle auf Japan. Damit das Land dem Kioto-Protokoll zustimmt, kassiert es Zugeständnisse – und schweigt

aus Bonn MATTHIAS URBACH

Die Ansage in der Bonner Straßenbahn ist ungewöhnlich: „Der Ausstieg am Robert-Schumann-Platz ist nur für Teilnehmer möglich – weil die Polizei dort keine Privatpersonen zulässt.“ Und tatsächlich, am U-Bahn-Ausgang wird jeder peinlichst kontrolliert. Wer durchkommt zum Klimagipfel, geht über einen verlassenen Platz zwischen verschiedenen braunen Hochhäusern der Bundesbehörden und Ministerien zum Marriot-Hotel, wo die Delegierten tagen.

Doch das Hotel ist viel zu klein. Die Büros der Delegationen und Verbände sind auf die angrenzenden Hochhäuser verteilt – das Ganze weiträumig von der Polizei abgeriegelt. Die Umweltverbände glauben, dass sich die Unterhändler hier vor der Öffentlichkeit verstecken. „Man weiß nicht mehr, was draußen vorgeht“, urteilt Kate Hampton von Friends of the Earth. Auch Bill Hare von Greenpeace International sieht das so: „Man hat sich abgekoppelt von der öffentlichen Meinung zu Hause.“

In Australien, Kanada und Japan seien jeweils mehr als zwei Drittel der Einwohner dafür, das Kioto-Protokoll ohne die USA zu ratifizieren. Doch hier gefährdeten die drei Länder „die Integrität der Verhandlungen“. Zum Entsetzen von Umweltschützern, aber auch der EU-Unterhändler fielen diese drei Länder in den Vorgesprächen wieder weit hinter das zurück, was sie bereits auf dem letzten Gipfel in Den Haag zugesagt hatten. Plötzlich wollen sich die drei wieder den Bau von Atommeilern in Entwicklungsländern als Klimabonus gutschreiben lassen. Auch bei den großen Schlupflöchern, wie der Anrechnung von Wäldern, verlangen sie einen Nachschlag. Schlechte Signale für die heute hier beginnenden Verhandlungen der Minister aus den knapp 180 Ländern.

Die Amerikaner fallen derweil kaum auf. Während sie bei früheren Gipfeln mit ihren professionellen Auftritten anderen Ländern die Show stahlen, sind sie in Bonn kaum zu sehen. US-Präsident George Bush hatte versprochen, die Klimaverhandlungen nach seinem Rückzug nicht zu blockieren. Und seine Delegation hält sich halbwegs daran.

„Das Kioto-Protokoll, das ich geerbt habe, ist nicht der richtige Weg, voranzukommen“, erklärte Bush gestern noch einmal. Alle Augen ruhen deshalb auf Japan. Wenn es gelingt, die Japaner zu bewegen, das Kioto-Protokoll trotzdem zu ratifizieren, könnte der Klimaschutz gerettet werden. Bislang jedoch hält sich Japan bedeckt. So unwohl sich die Japaner im Rampenlicht fühlen, so sehr nutzen sie ihre neue Situation. „Die Japaner versuchen nun, noch mehr Schlupflöcher für sich herauszuschlagen“, klagt eine deutscher Unterhändler.

Die deutsche Delegation hält zwar eine Einigung für möglich, heißt es diplomatisch. Optimistisch ist man aber nicht. Und man ist bereit, den Japanern weit entgegenzukommen. Schon in Den Haag bot man ihnen in der letzten Nacht eine großzügige Anrechnung ihrer Wälder für den Klimaschutz an. „Das erhalten wir aufrecht“, heißt es aus deutschen Kreisen. Die Japaner fürchten wirtschaftliche Nachteile, falls sie ratifizieren. Nicht nur die Umweltverbände versuchen das mit Studien zu entkräften. Auch Teile der Wirtschaft: Die Initiative „e-mission 55“ von 137 überwiegend europäischen Unternehmen, darunter Telekom, Metro, Credit Suisse und Ricoh, warb vorgestern in einem Galaempfang am Rande des Gipfels für eine Ratifizierung. Die Initiative entstand nach Bushs Absage und ist nach den Worten ihres Sprechers überzeugt, „dass Klimaschutz der Wirtschaft Vorteile bringt“.

Doch es fehlt nicht nur am Willen, sondern auch am Druck: „Wenn man sich in Den Haag nicht einigen konnte, warum ausgerechnet hier?“, fragt Petr Hlobil, Umweltaktivist und Delegationsmitglied aus Tschechien. Viele spekulieren bereits auf eine weitere Vertagung. Bonn trägt dazu bei – durch den trostlosen Tagungsort. Der Weg zu den Büros der Umweltschützer und zum Pressezentrum führt durch eine von Abgasen erfüllte Tiefgarage.

Selbst langjährige Routiniers und notorische Optimisten wie Bill Hare sind skeptisch. Ähnlich Hlobil. Er ist seit 1993 dabei – und diesmal soll das letzte Mal sein. Hlobil glaubt nicht mehr an ein brauchbares Ergebnis. Er will sich wieder anderen Themen widmen.

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