piwik no script img

themenpizzen und andere clubsSuuuuperkultig! Einwegflaschen und Öko-Heroin!

Weil ich es mir wert bin

Machen wir uns doch nichts vor: Das ewige Ausgehen verliert langsam seinen Reiz. Das hätte ich ja früher nie gedacht. Aber vielleicht liegt es an meinem Alter (renne mit Siebenmeilenstiefeln auf die Siebzig zu), an meinem Gemüt (polnisch-schwermütig) oder auch an den Clubs (einer wie der andere: spät auf, spät zu, und zwischendurch Koteletten und Hemingway-Shots).

Gott sei Dank hat das auch mein absoluter Lieblingspizzabringdienst mitbekommen. Und bietet, anstatt wie sonst nur Themenpizzen zu backen (im Februar „Pizza Funkenmariechen“, im Dezember „Spaghetti Jingle Bells“ etc.), jetzt zum Sommer eine ganz besondere Pizza-Edition: Nicht allein die Pizzen „Hiphop“ (mit Seelachs und Shrimps) und „Dancefloor“ (mit Lauch, Kartoffelscheiben und Sauce Hollandaise) oder die Spaghetti „Soulfood“ sind in dem „Club-Aktionspaket“ enthalten. Sondern auch noch die CD-Compilation „Taste“ und 0,5-Liter-Afri-Cola in der „kultigen PET-Einwegflasche“.

Wenn das nicht verdammt cool ist. Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll mit dem Clubfeeling: erst die kultige Einwegflasche öffnen oder sich erst mit „ausgewählten Trance-HipHop-Lounge-Sounds“ so richtig eingrooven? Uiuiuiui. Vielleicht schickt mein Pizzadienst demnächst ja sogar ein paar nette Singles mit, also Menschen, möglichst männlich, nicht Vinyl, mit denen man dann auch noch das Flirten zu Hause besorgen kann. Das wäre der endgültige Todesstoß für die Clubs Berlins.

Aber jetzt mal Spaß beiseite. Und elegant übergeleitet: Der Wein, den „Hallopizzanmomentbitte“ bringen könnte, mundet nicht. Mundet nie. Darum kaufe ich den lieber in echten Weinläden, in denen erstaunlich klare Rotnasen etwas zu den Trauben, dem Hang und dem Regen sagen können. Neulich hörte ich die Ökoweinladenverkäuferin tatsächlich einer Kundin erklären, dass – man höre und staune – „Ökoweine gesünder als Nicht-Ökoweine“ seien. „Trinken Sie den mal vier Monate lang täglich“, fügte sie hinzu, ohne rot zu werden oder zu lallen, „dann geht es Ihnen wirklich viel besser.“

Das glaube ich allerdings. So eine ökologisch angebaute Leberzirrhose behandelt man übrigens mit Quark und Bindfäden. Und um beim Thema zu bleiben: Am Kottbusser Tor steht seit einigen Tagen der erste Öko-Dealer, der ausschließlich Heroin aus ökologischem Anbau verkauft. Warum auch soll der Trend hier spurlos vorübergehen? Ist natürlich ein bisschen teurer, aber dafür viel intensiver. Wer mag, kann auch noch (statt der exkultigen Plastik-Einwegspritzen) indianische Holzspitzen dazu kaufen, mit denen man sich das Heroin etwas archaisch in die Venen klöppelt, wie es auch schon Atahualpa und seine Junkiefreunde getan haben. Stilvoll abbinden kann man sich den Arm mit diesen lustigen, geflochtenen, mexikanischen Bändchen, die man danach natürlich weiterhin trägt. Selbstredend benutzt man auch keine Alufolie zum Aufkochen, sondern kleine, unlackierte Tontöpfe.

Seltsam? Dann warten Sie mal ab, was sich der Pizzabringdienst in Zusammenarbeit mit der AGÖL (Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau) und der AGBD (Arbeitsgemeinschaft Bio-Drogen) für den heißen Herbst ausgedacht hat . . .

JENNI ZYLKA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen