: Eine private Militärshow
Aus Angst vor Protesten wird die Öffentlichkeit vom öffentlichen Gelöbnis fern gehalten
von DIRK HEMPEL
Ein Großaufgebot der Polizei soll die Gegner des für heute Abend angesetzten Rekrutenvereidigung der Bundeswehr auf Abstand halten. Sehr zur Freude der Antigelöbnis-Aktivisten. Diese genießen die große Aufmerksamkeit, die ihnen von Polizei und Bundeswehr geschenkt wird und feiern die angekündigten Absperrmaßnahmen bereits wie einen Sieg.
„Die Bundeswehr begibt sich in einen Hochsicherheitstrakt, genauso gut könnten sie das in einer Kaserne veranstalten – das ist längst kein öffentliches Gelöbnis mehr“, sagte die Anmelderin der für heute gemeldeten Demonstration gegen das militärische Zeremoniell. Der um 15 Uhr 30 am Breitscheidplatz startende Zug muss mehrere hundert Meter vor dem Sitz des Verteidigungsministeriums, dem Bendler-Block, enden.
Auch die „direkte Beschallung des Gelöbnisortes durch Lautsprecheranlagen, Megafone u. ä. sowie die Benutzung von Sirenen und das Abspielen von Sirenenlauten“ bleibt verboten. Entsprechende Auflagen der Versammlungsbehörde wurden gestern vom Verwaltungsgericht bestätigt. Ein Einspruch der Anmelderin dagegen beim Oberverwaltungsgericht war bis Redaktionsschluss noch nicht entschieden.
In den vergangenen Jahren hatten die Gerichte den Gegnern der öffentlichen Rekrutenvereidigung stets eine „Sicht- und Hörachse“ zum Ort des Gelöbnisses zugestanden. Bestrebungen, die allerdings darauf abzielten, das militärische Brimborium zu stören oder gar zu verhindern, seien jedoch nicht vom Versammlungsrecht geschützt, so die Argumentation des Verwaltungsgerichts.
Etwa 1.500 Polizisten sollen daher heute Abend die 530 Rekruten der Bundeswehr vor Protesten schützen. Auf Handzetteln werben die Beamten in der Umgebung des Bendler-Blocks bereits um „Verständnis für mögliche Beeinträchtigungen durch notwendige Personenüberprüfungen“. Vor zwei Jahren hatten sich Gegner der öffentlichen Vereidigung Eintrittskarten verschafft und die Veranstaltung erheblich gestört. Ein Sprecher der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ sagte gestern zur taz, Polizei und Bundeswehr müssten „immer mit Störungen durch antimilitaristische Aktivisten“ rechnen.
Bevor es dazu kommt, wollen Polizei und Bundeswehr das umstrittene Zeremoniell offenbar zur Privatveranstaltung für die Rekruten und deren Familien machen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sind bereits gefälschte Einladungen aufgetaucht. Ebenso nachgemacht dürfte ein Schreiben mit Bundeswehr-Briefkopf sein, das sich „an alle Haushalte“ richtet. Darin wird Anwohnern das „Verlassen der Wohngebiete“ untersagt, und Notstandsmaßnahmen werden angekündigt.
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