: Jakarta droht Showdown
In Indonesien könnte heute der Machtkampf in die entscheidende Phase treten
BERLIN taz ■ Wird Indonesiens Präsident Abdurrahman Wahid heute um 18 Uhr Ortszeit (13 Uhr MESZ) den Notstand ausrufen und das Parlament für aufgelöst erklären? Der mit Korruptionsvorwürfen konfrontierte Wahid hat dem Parlament ein Ultimatum gesetzt, sollte es nicht die Vorbereitungen für ein gegen ihn angestrebtes Amtsenthebungsverfahren abbrechen. Für den 1. August hat die Beratende Volksversammlung (MPR) bereits eine Sondersitzung anberaumt, auf der Wahids Absetzung beschlossen werden soll. Er hat im Parlament keine Mehrheit.
Der Präsident, dessen sprunghafte und chaotische Amtsführung immer mehr Indonesier frustriert, hatte bisher auf Bestrebungen zu seiner Absetzung mit einem Aufstand seiner Anhänger gedroht und dem Gedanken von Neuwahlen gespielt. Der MPR-Vorsitzende und Wahid-Gegner Amien Rais hat für den Fall des Notstands bereits erklärt, dass dann die 695 MPR-Abgeordneten unmittelbar zusammentreten würden, um ihrerseits Wahid für abgesetzt zu erklären. Seine bisherige Stellvertreterin Megawati Sukarnoputri würde dann neue Präsidentin. Wahid will sie jedoch nicht anerkennen. Würde er abgesetzt, so erklärte er, müsste auch die bisherige Vizepräsidentin abtreten.
Seit Wochen gab es immer wieder Versuche, hinter den Kulissen noch einen gesichtswahrenden Kompromiss zu finden. Dabei hätte Wahid vielleicht formal Präsident bleiben können, während die Megawati die Macht übernommen hätte. Auch in den vergangenen Tagen gab es entsprechende Gespräche. Doch gestern sagte MPR-Präsident Rais: „Ich glaube nicht, dass noch irgendein Kompromiss eine Chance hat.“ Polizei und Militär, die sich für neutral erklärt haben und einen Notstand ablehnen, haben für heute tausende Beamte mobilisiert und Evakuierungspläne für die Parlamentarier entworfen, sollte es zu den Unruhen kommen. SVEN HANSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen