: Diagnose: Profit um jeden Preis
Der Druck auf die Pharmaindustrie wächst, ihre Politik gegenüber den Entwicklungsländern zu ändern. Die Hilfsorganisation Oxfam fordert in einem neuen Bericht vom US-Multi Pfizer, die Preise zu senken und Kompromisse beim Patentrecht zu machen
von MARIUS ZIPPE
Im April feierten die Kritiker der internationalen Pharmakonzerne einen Sieg: 39 Konzerne gestanden der Regierung von Südafrika zu, billige Aidsmedikamente zu importieren und den Gebrauch nachgeahmter Medikamente zu erlauben. Nun geht die Auseinandersetzung um die Politik der Pharamindustrie gegenüber den Entwicklungsländern in eine neue Runde. Gestern hat die britische Hilfsorganisation Oxfam dem größten Pharmakonzern der Welt, dem US-Unternehmen Pfizer, vorgeworfen, „aggressiv seine Patentrechte in den Entwicklungsländern zu verteidigen“ und die „Preise in die Höhe zu treiben“. In einem Report, der in acht Ländern vorgelegt wurde, erklärt Oxfam, die Geschäftspolitik von Pfizer verhindere, dass „Millionen Menschen mit lebensnotwendigen Arzneien versorgt würden“.
Pfizer, weltweit bekannt durch die Potenzpille Viagra, beschäftigt weltweit 85.000 Mitarbeiter und verkauft sieben der weltweit dreißig begehrtesten Medikamente. Oxfam wirft dem Konzern vor allem das Beharren auf dem Trips-Abkommen der WTO vor. Das Abkommen schützt für zwanzig Jahre „ handelsrelevante intellektuelle Besitzrechte“, wie Patente auf medizinische Wirkstoffe. Pfizer gehe keine Kompromisse ein, sondern nutze seinen Einfluss auf die US- Regierung, um Druck auf Entwicklungsländer zu machen. Im März hatte Oxfam eine ähnliche Studie über den britischen Pharmakonzern Glaxo Smith Kline vorgelegt.
Oxfam fordert von Pfizer, Veränderungen am Trips-Abkommen zuzustimmen, damit es zu einem Ausgleich zwischen Gesundheitsvorsorge und Pharmaindustrie komme. Das Unternehmen solle „von der Durchsetzung der Patentrechte Abstand nehmen in Ländern, in denen das keinen oder nur geringen wirtschaftlichen Vorteil bringt“ – in den Entwicklungsländern sei mit teuren Medikamenten ohnehin kein Geschäft zu machen.
Die Pharmaindustrie fürchtet dagegen die Reimporte billiger Medikamente und beruft sich auf die hohen Entwicklungskosten: Bis zur Marktreife koste ein Medikament 500 Millionen Dollar. 20 Jahre Schutzfrist seien gerechtfertigt, weil Geld für die Forschung an neuen Medikamenten eingespielt werden muss. Oxfam hält dem entgegen, dass bei den Forschungskosten der Beitrag öffentlicher Gelder oft nicht einberechnet werde.
Für Pfizer selbst geht die Preisdiskussion am Ziel vorbei. Die Sprecherin der deutschen Niederlassung, Herlinde Schneider, sagte der taz, dass „es vielmehr auf den langfristigen Aufbau des Gesundheitswesens in den Entwicklungsländern“ ankomme. Noch fehle es in vielen Ländern an Krankenhäusern mit Know-how oder Apotheken. Pfizer beteilige sich deswegen an Entwicklungsprojekten.
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