: Funken auf der Netzhaut
■ Manfred Mann's Earth Band entflammte in Oldenburg die Seelen und Feuerzeuge
Manfred Mann gehörte nie richtig zu den Dinosauriern der Pop-Geschichte, aber seine Stücke sind allemal Hits geworden, die noch heute funktionieren. Auch auf seiner aktuellen Tour hat sich Manfred Man an die alten Stücke seiner „Earth Band“ gehalten: Bei seinem Konzert in der Oldenburger Kulturetage erklangen „Carol go“ und „Blinded by the light“, allerdings waren sie sehr frisch arrangiert.
Der gebürtige Südafrikaner ist eigentlich kein Neuerfinder, sondern immer schon einer, der postmodern montiert, collagiert. Er ging mit seinen Hits auch nicht an den letzten dreißig Jahren Musikgeschichte vorbei, obwohl es ihm angeblich „schlichtweg egal“ ist, welchen Stellenwert die Band im heutigen Popzirkus hat.
Da legt sich „House of the rising Sun“ sehr bluesig und free vor „Dancing in the dark“, aber nicht als bloßes Intro. Beide Songs funktionieren als einer, in- und gegeneinander, ohne bloß Medley sein zu wollen. Neue Gewebe entstehen, die ein hervorragendes Schlagzeug trägt, das Marc Diangelo mit viel jazzigem Gefühl für leises, zimbelndes Blech zu bedienen weiß, um dann – Manfred, warum? – zum Viererdurchmarsch zu blasen. Schade schade, dass der Rock so siebzigergetreu immer wieder da durchrennen muss, wie ein „Demolition Man“. Der allerdings kam mit einer Wut und Energie von der Bühne, am Tag des G-8-Treffens in Genua, dass man fast das Gefühl hatte: Es ist jetzt wieder die Zeit dieser Musik; sie war visionär, irgendwie, verkannt auch – denn vieles, was hier anklingt, gibt es heute synthetisch aufgepeppt und aggressiv aufgepusht in Hip- bis Trip-Hop. Oder man hört Rachmaninov heraus, als Intro zu einem sehr dunklen, gruftigen, fast psychedelischen Stück 90er-Jahre-Musik: ange-eartht, durchgesoult von Noel McCallas enormer Stimme.
Der bleibt, jetzt übrigens im Rastalook, das Zugpferd der Earth Band. Der Mann hat in den letzten zwanzig Jahren stimmlich noch mal gehörig zugelegt, sein spröder Splatter klingt ungemein soulig, funkig, der Rythm'n Blues wird im Nerv getroffen. Es gibt wohl wenige Sänger, die derart gekonnt ihre Stimme am Mikrophon entlang produzieren, wie McCalla; bei ihm klingt auch ABBAs „S.O.S“, als wäre es Lennie Kravitz gerade aus der Feder gekrochen: eine Ballade mit Gänsehautfaktor.
Mick Rogers steuert dazu einen Gitarrensound bei, der sehr nach Gibson klingt. Und tatsächlich: Irgendwann legt er die E-Gitarre weg und holt diese schöne bauchige Dame heraus, mit der er redet, in hellen Farben. Akkorde, nur kurz angetönt, stehen wie Funken auf der Netzhaut über der Stimme McCallas. Doch auch Rogers legt sich bei „Spirits in the night“ noch mal rein, seine charismatisch helle Stimme treibt auf dem leicht souligen Puls des Stückes durch den Raum und die Seelen der Fans entflammen; mit ihnen zahllose Feuerzeuge in der ausverkauften Halle.
Marijke Gerwin
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