Belegschaft als Börsenrakete

Niederländische Bank ABN-Amro beflügelt durch Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital den Aktienkurs. Modell in deutschen Großunternehmen bisher selten

HAMBURG taz ■ „Mitarbeitermotivation ist der entscheidende Wettbewerbsfaktor“, behauptet die niederländische Großbank ABN-Amro. Wer „nur“ Angestellter ist, achte halt kaum auf Kosten und investiere weniger Engagement in die Firmenzukunft. Dagegen brächten „Mitarbeiter-Unternehmer“ bessere Leistungen. Solche Aktiengesellschaften seien dann meistens besonders erfolgreich, und dieses schlage sich in einem überdurchschnittlichen Börsenkurs nieder.

Da lag es für ABN-Amro nahe, mit dem rheinischen Kapitalismus zu spekulieren und ein sozialpartnerschaftliches Finanzprodukt zu entwickeln, das Mitarbeiterbeteiligungs-Zertifikat. Schon vor zwei Jahren hatte ABN-Amro die erste Geldanlage angeboten, „die aus Motivation Rendite macht“. Man behielt Recht. Tatsächlich gewann das Mitarbeiterbeteiligungs-Zertifikat in zwei Jahren 25 Prozent an Wert – trotz Kurseinbruchs an den Börsen. Im selben Zeitraum stieg der Euro-Stoxx-50-Index nur um 15 Prozent. „Diese Entwicklung ist nicht überraschend“, kommentiert ABN-Analyst Stefan Greisse, „denn zahlreiche Studien belegen, dass sich Unternehmen mit einem hohen Maß an Mitarbeiterbeteiligung besser entwickeln als der Gesamtmarkt.“ Der Erfolg des ersten Zertifikats, dessen Laufzeit bald endet, hat ABN-Amro überzeugt, ein Nachfolgeprodukt auf den Markt zu werfen.

Im neuen Mitarbeiterbeteiligungs-Zertifikat (WKN 649 555) sind die „30 führenden europäischen Unternehmen in puncto Mitarbeiterbeteiligung“ zusammengefasst, sagt die Großbank. Alle Firmen gelten in ihrem jeweiligen Marktsegment europaweit als die Sozialsten. Ausgewählt wurden hierzulande Daimler-Chrysler, SAP und SGL Carbon. Es überwiegen jedoch prominente europäische Namen aus weiteren neun Ländern, wie die Crédit Suisse, der französische Chemiekonzern Aventis oder British Airways. „Großbritannien und dahinter schon mit deutlichem Abstand Frankreich sind bei der Mitarbeiterbeteiligung in Europa führend“, sagt Derivatexperte Greisse. Bei ihrer Firmenauswahl orientierten sich die Investmentbanker hauptsächlich am Lohnsystem und Belegschaftsaktien, aber auch an der Qualität der Kommunikation im Unternehmen. Dabei dreht sich keineswegs alles um die Topmanager. „Dass die Beteiligung des Mitarbeiters am Unternehmenserfolg ein wichtiger Motivationsfaktor ist, wird heute von der Shareholder-Value-Philosophie weltweit propagiert. Jedoch reduziert sich dieser Gedanke nur zu oft auf Ansätze, die allein die obere Managementebene einbeziehen“, kritisiert ABN-Amro die gängige Praxis in deutschen Konzernen. Stattdessen müsse die Belegschaft „richtig“ am Unternehmen beteiligt werden, meint Stephan Kunze, der mit seinem Team das ABN-Produkt kreierte. Beispielhaft sei das Mutterland des Shareholder-Value: In den USA sind heute viele Hundert Unternehmen mindestens zu 10 Prozent im Besitz der Arbeiter und Angestellten. Auch in Großbritannien haben 40 börsennotierte Unternehmen ihre Beschäftigten unterhalb der Chefetage mit mindestens 10 Prozent beteiligt.

Immerhin nähern sich auch in Deutschland einige Konzerne dieser Messlatte oder überspringen sie. Beliebter als bei Großunternehmen ist die Beteiligung an Kapital und Gewinn freilich im Mittelstand und in jungen, innovativen Firmen. Die IG Metall schätzt den Wert aller deutschen Belegschaftsbeteiligungen auf rund 25 Milliarden Mark. Allerdings kommen erst 6 Prozent der abhängig Beschäftigten in diesen Genuss. H. PFEIFFER