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Wenn Gläserrücken zur Psychofalle wird

■ Die Sektenberatung der evangelischen Kirche in Bremen erweitert ihr Angebot

Nach dem grausamen Ritualmord des so genannten Satanspärchens an einem 33-Jährigen im Ruhrgebiet ist das Thema wieder aktuell. Okkultismus, Sekten, zerstörerische Glaubensriten finden besonders unter Jugendlichen immer mehr Anhänger. „Ein Problem, das wir sehr ernst nehmen“, sagt Pastorin Jeanette Köster vom „Kapitel 8“. Das evangelische Informationszentrum hat seit geraumer Zeit eine monatliche Sektenberatung eingerichtet, an die sich Betroffene wenden können. Wegen „zahlreicher Nachfragen“ hat die Bremische Evangelische Kirche nun einen zweiten Experten für destruktive Kulte ausgebildet.

Dabei geht es längst nicht nur um Horrorerlebnisse: Immer wieder tauchen, so Pastorin Köster, junge Menschen auf, die negative Erfahrungen mit „Spielereien“ wie Gläserrücken oder so genannten Schwarzen Messen gemacht haben. „Der anfängliche Spaß kann sehr schnell in einer Psychofalle enden“, weiß Köster. Teenager seien wegen ihrer pubertären Gefühlsschwankungen anfällig dafür, sich in vermeintlich mysteriöse Erlebnisse hineinzusteigern. Am Ende reagierten viele panisch.

Warum gerade zurzeit wieder ein großes Interesse am Okkultismus bestehe, kann sich die Pastorin nicht genau erklären. „Mysterien sind ein ständiges Thema in Fernsehserien, das weckt die Neugierde“, meint Köster. Es herrsche eine „Bungeejumpingmentalität“: Jugendliche suchten immer extremere Erlebnisse. „Manchmal kann das Seil aber auch reißen“, warnt sie.

In der Beratung könne den Jugendlichen häufig schon durch Gesprächen geholfen werden. Aber nicht nur für Okkultismusgeschädigte ist die Beratungsstelle des „Kapitel 8“ offen. Auch bei Angehörigen von Gemeinschaften wie Scientology und den Zeugen Jehovas versuchen die Experten zu helfen. Der Ausstieg sei extrem schwer, so Köster. „Wir versuchen die Opfer in den Alltag zu führen, aber oft können sie nur an speziellere Einrichtungen wie Selbsthilfegruppen weiter vermittelt werden“. ff

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