dreikampf: Triathlon-Verband verbreitet ungewohnte Harmonie
Friede im Empire Ballroom
Diesmal waren die schweren Jungs vor der großen Saaltür freundlicher zu den Delegierten aus aller Welt, jedenfalls wurde keiner von den beiden Muskelmännern am Eintritt in den schmucken Empire Ballroom des Nobelhotels McDonald gehindert und somit an der Teilnahme beim großen ITU-Kongress am Rande der Triathlon-Weltmeisterschaft im kanadischen Edmonton. Das darf durchaus als Fortschritt gewertet werden in einem Verband, der aufmüpfige Mitglieder schon mal vor der Tür lässt, so wie vor einem Jahr in Perth: Auch da tagte die International Triathlon Union anlässlich der Welttitelkämpfe, was allerdings weit weniger gewaltlos geschah. Mächtig handgreiflich waren die Ordner damals zu Werke gegangen gegen Delegierte, die im Vorfeld in Opposition zu ITU-Präsident Les McDonald getreten waren, am Ende wurde elf Nationen die Teilnahme am Kongress verwehrt – und somit an den dabei anstehenden Wahlen, die denn auch prompt den 70-jährigen McDonald in seinem Amt bestätigten.
Gänzlich neu sind solche Gepflogenheiten freilich nicht im Verband der Dreikämpfer, der seit seiner Gründung vor nunmehr zwölf Jahren von eben diesem Les McDonald geführt wird. Neu war plötzlich nur, dass sich Widerstand regte gegen die Machenschaften des ehemaligen Gewerkschaftsführers aus Vancouver, und das auch noch in gerichtlicher Form: Gleich fünf nationale Verbände, darunter auch die Deutsche Triathlon Union (DTU), beschlossen gegen die ITU und ihren Präsidenten Klage einzureichen bei einem Gericht in Vancouver, dem Sitz des Weltverbandes, was Ende letzten Jahres prompt geschah. Der Vorwurf: Wahlmanipulation, Fälschung von Kongressprotokollen, undurchsichtiges Finanzgebaren, Korruption, die ganze Palette eben.
Seitdem ist der Ton noch eisiger geworden im Umgang miteinander, auch wenn die Morddrohungen, die es im Vorfeld von Edmonton gegen zwei Funktionäre aus Großbritannien und Belgien angeblich gegeben haben soll, eher ins Reich der Fabel zu verweisen sind. Wie McDonald aber prinzipiell reagiert, wenn man ihm und seinem Verband ans Bein zu pinkeln versucht, bekam die DTU schwarz auf weiß geliefert: In einem wenig freundlichen Brief ließ die ITU mitteilen, dass dem deutschen Verband, einem der mitgliederstärksten, in Edmonton der Ausschluss drohe – wenn er die Klage nicht zurückziehe.
Entsprechend überrascht über den Kongressverlauf war der deutsche Verbandspräsident Klaus Müller-Ott, der vorsichtshalber mit dem DTU-Rechtsbeauftragten Reinhard Wilke, Richter am Oberlandesgericht Schleswig, nach Edmonton gereist war. Nicht nur, dass alle Delegierten in den Saal gelassen wurden, drinnen ging es, so Müller-Ott, dann auch noch „so harmonisch und ruhig“ zu wie seit Jahren schon nicht mehr. Kein Wort wurde gesprochen über den nach wie vor anhängigen Prozess, keine Silbe verloren über eine mögliche Suspendierung der Deutschen. Stattdessen: Friede, Freude, Eierkuchen.
Den freilich hatte der DTU-Präsident selbst mit angerührt, schon vor drei Wochen hatte sich Müller-Ott mit Les McDonald in London zu einem mehrstündigen Gespräch im Beisein von IOC-Sportdirektor Gilbert Felli getroffen – und nach Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung gefahndet. „Dadurch hat eine Deeskalation stattgefunden“, sagte Müller-Ott nun in Edmonton: „Vielleicht haben wir in einen Gesprächsprozess gefunden, der neue Türen öffnet.“ Welches verbandspolitische Schlupfloch das sein soll, wollte der DTU-Präsident freilich nicht verraten, schließlich befinde man sich in einer Art schwebendem Verfahren und die gerade geknüpften Bande sind noch all zu frisch, als dass schon wieder an ihnen gezerrt werden könnte. Lieber weist Müller-Ott darauf hin, dass McDonald bereits angekündigt habe, in drei Jahren nicht mehr kandidieren zu wollen und der Weg dann ohnehin frei sei für einen Neuanfang, im Übrigen sei keineswegs gesichert, dass ein Prozess mit allen möglichen Wider- und Einsprüchen sich nicht sogar noch länger hinzieht. „Die Frage ist nun, ob wir mit der derzeitigen ITU-Führung bis zum Jahr 2004 auskommen“, sagt DTU-Präsident Müller-Ott. Die Antwort darauf ist, zumal bei der Schwere der Vorwürfe, nicht ganz einfach.
FRANK KETTERER, Edmonton
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