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Wahids langsamer Abgang

Verzweifelt hat Wahid versucht, seine Macht in Indonesien zu retten. Doch Parlament und Militär wollten eine neue Präsidentin: Megawati Sukarnoputri

von JUTTA LIETSCH

Indonesien hat eine neue Regierungschefin: Megawati Sukarnoputri, die Tochter des Staatsgründers Sukarno, ist gestern in Jakarta als fünfte Präsidentin des Landes vereidigt worden. Damit endete ein monatelanger Machtkampf zwischen ihrem Vorgänger Abdurrahman Wahid und dem ersten frei gewählten Parlament des Landes.

Eine Stunde vor ihrer Vereidigung hatten die 700 Delegierten der „Beratenden Volksversammlung“ Wahid einmütig das Mandat entzogen. Wie in der indonesischen Verfassung vorgesehen, ging die Regierungsgewalt automatisch auf Megawati über, die bis dahin Vizepräsidentin gewesen ist.

Sie übernimmt ein Land, das von ethnischen Unruhen und großen wirtschaftlichen Problemen erschüttert ist. Millionen Indonesier saßen gebannt vor ihren Fernsehern, als die 54-jährige Politikerin zu ihrer ersten Rede an die Nation ans Pult trat, begleitet von zwei Offizieren der Präsidentengarde: „Ich fordere alle Parteien auf, diesen demokratischen Prozess mit allem Ernst zu akzeptieren“, sagte sie. „Dies ist die Stimme des Volkes, auf die wir hören müssen.“ Sie beschwor die Bewohner ihres Landes, zusammenzuhalten: „Lasst uns alle Kämpfe untereinander beenden, denn sie haben das Leid der Menschen nur vertieft.“

Ihren früheren Freund und Mentor Wahid, der einsam im großen Präsidentenpalast saß und sich noch am Abend weigerte, seinen Sturz zu akzeptieren, erwähnte sie mit keinem Wort. Vorausgegangen waren dramatische Stunden: Verzweifelt hatte der 61-jährige Wahid bis zuletzt versucht, die Sondersitzung der obersten gesetzgebenden Versammlung zu verhindern, zu der das Parlament und 200 Vertreter verschiedener Regionen und sozialer Organisationen zählen. Wenige Stunden vor seinem Rauswurf verkündete er um ein Uhr morgens in einer Fernsehansprache den Ausnahmezustand und die Auflösung des Parlaments – gegen den Rat von zwei seiner prominentesten Minister, die sofort zurücktraten.

Polizei und Armee hatten schon zuvor angekündigt, einen Notstandsbefehl nicht zu unterstützen. Außerdem suspendierte er die Golkar-Partei, die im Parlament die zweitstärkste Fraktion nach der Demokratischen Partei des Kampfes Indonesiens von Megawati stellt. Er denke gar nicht daran, der Forderung der Abgeordneten zu folgen, Rechenschaft über seine 21-monatige Regierungszeit abzulegen, erklärte er kategorisch. Stattdessen sprach der frühere Muslimpolitiker von einem Heiligen Kampf – „Dschihad“ – um sein Amt und warnte vor dem Zerfall Indonesiens, falls er gestürzt werden sollte.

Die Drohungen verpufften. Jakarta blieb ruhig, als die Delegierten gestern Morgen in das Parlament strömten. Soldaten schützten das Gebäude. Die Opposition erklärte alle nächtlichen Dekrete Wahids für verfassungswidrig. Beifall brandete auf, als die 38 Offiziere der Militärfraktion geschlossen gegen Wahid stimmten. Ein Brief des Obersten Gerichtshofes bezeichnete die nächtlichen Dekrete ebenfalls als illegal.

Bis zum Abend war unklar, wie die neue Präsidentin mit ihrem widerspenstigen Vorgänger umgehen würde. Für Wahid, der zu Beginn seiner Amtszeit im Oktober 1999 weithin als liberaler, weltoffener und demokratisch gesonnener Politiker respektiert wurde, war dies ein bitteres Ende. Über seine Weigerung, die Realitäten anzuerkennen, schrieb die Jakarta Post: Wahid „fühlt sich als Opfer eines unfairen und grausamen Schicksals“. Er sei überzeugt davon, rechtmäßig gewählter Präsident zu sein, „möglicherweise mit himmlischer Intervention oder sogar als Teil eines großen göttlichen Planes“. Nun fühle er sich, so die Zeitung, vom Parlament „tyrannisiert und von Megawati verlassen. Kurz: Seine früheren Freunde haben sich verschworen, um ihn zu stürzen.“

Völlig Unrecht hatte Wahid nicht mit seiner Verschwörungstheorie: Viele der Parlamentarier, die ihn nun wegen vermeintlicher Korruption und Unfähigkeit stürzten, haben weitaus schmutzigere Westen als er. Statt sich aber im Parlament politische Bündnispartner zu suchen, um mit dem alten Filz und dem Erbe der Suharto-Diktatur aufzuräumen, machte er sich Feinde auf allen Seiten: Die Armee erzürnte er, als er Verständnis für die rebellischen Randregionen zeigte. Die Golkar-Partei, in der noch viele Weggenossen Suhartos sitzen, verärgerte er, als er gegen führende Köpfe wegen Korruption ermitteln ließ. Die konservativen Muslime hassten seine religiöse Liberalität. Diese Kräfte haben sich jetzt um Megawati geschart. Welchen politischen Einfluss sie auf die neue Präsidentin haben, wird sich in den nächsten Tagen zeigen, wenn sie ihr Kabinett und ihren neuen Vizepräsidenten ernennt.

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