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„Cuoro wins!“

Beim Capoeira-Meeting werden die Grenzen zwischen Tanz und Cocktail neu definiert  ■ Von Philipp Sidhu

Eines der populärsten Videospiele ist die Prügelsimulation Te-cken III. Das Besondere daran ist, dass die virtuellen Kämpfer reale Techniken beherrschen. Die Chinesin Ling kann Kung Fu, der Amerikaner Paul Kickboxen. Doch was der Sunnyboy Eddi macht, wusste lange Zeit kein Mensch. Dabei ist der frustrierte Aufschrei des Spielers: “Hör auf zu tanzen und kämpfe“, kurz vor dem finalen „Eddi Cuoro wins!“ richtungsweisend. Cuoro kann Capoeira.

„Capoeira? Kenn' ich. Hatte ich letztes Mal so vier oder fünf Stück und die Kopfschmerzen danach: Weltklasse.“ Es besteht Aufklärungsbedarf. Capoeira ist nicht der beliebte Schädelspalter aus Rum, Zucker und Limetten, sondern brasilianische Kampfkunst. Folglich ist ein Capoeirista kein südamerikanischer Quartalssäufer, sondern Vertreter jener Sportart, die von den schwarzen Sklaven Brasiliens aus den Tänzen ihrer afrikanischen Heimat entwickelt wurde. Heute ist es, durch Einflüsse europäischer und asiatischer Kampfsportarten, eine Mischung aus Musik, anmutigen tänzerischen Bewegungen und aggressivem Kampf.

Etwa 300 Capoeirista aus Europa und Südamerika nehmen am diesjährigen „Capoeira-Summermeeting“ in Hamburg teil. Während sich andere Kampfsportarten gerne das fadenscheinige Mäntelchen fernöstlicher Philiosophie überstreifen, beruht die Anziehungskraft der Capoeira ganz auf brasilianischem Strandgefühl in Badelatschen schlurfen die Teilnehmer vom Zeltplatz vor dem Haus Drei zum Training. In der drückend heissen Halle formiert sich spontan eine Roda. Dabei bilden Musiker und Zuschauer einen Kreis um zwei Kämpfer, der Fremden den Blick auf die Aktionen im Mittelpunkt versperren soll. Relikt aus jener Zeit, als Capoeira von den Sklavenhaltern verboten war.

Während die Österreicher noch etwas ungelenk wirken, schwebt ein junger brasilianischer Gott, der sich später als Pole zu erkennen gibt, lässig aus dem einarmigen Handstand in den Spagat.

Beim Capoeira handelt es sich nicht um einen Vollkontaktsport. Die Techniken werden lediglich angedeutet, das Ganze erinnert an ein gut einstudiertes, sehr athletisches Spiel. Dabei spielt die Musik eine wichtige Rolle. Wer jedoch Sambarhythmen erwartet wird enttäuscht sein. Die Capoeira Klänge sind ursprünglicher, eher afrikanisch als südamerikanisch und geben die Geschwindigkeit für die Kämpfer vor.

Morgens um 11 Uhr jedoch, wenn die Capoeiristas sich stöhnend aus ihren Zelten winden und in acht Sprachen nach dem verdammten Aspirin gegrummelt wird, ist man sich nicht sicher, ob Capoeira und Caipirinha nicht doch dasselbe ist.

Endgültige Klärung kann am Samstag, dem 28. Juli um 20 Uhr in der Fabrik in Altona erwartet werden. Dort findet die Abschlusspräsentation mit anschließender Party statt.

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