Gen-TÜV vom Acker bis zum Tisch

EU-Kommission verabschiedet schärfere Vorschriften zur Überprüfung und Kennzeichnung von Genfood: In Zukunft soll die Herkunft auch der Zusatzstoffe bis zur Quelle nachprüfbar sein. Zum ersten Mal Siegel auch für Gentech im Tierfutter

von BERNHARD PÖTTER

Wer in Zukunft Schokolade, Öle oder Margarine im Supermarkt kauft, sollte sich die Packung genau ansehen. Denn neben dem Preisschild prangt dort vielleicht ein Siegel „enthält genmanipuliertes Material“. Das jedenfalls sieht die Verordnung 2001/18 der EU vor, die die EU-Kommission gestern Abend beschloss. Nach Angaben einer Sprecherin der Generaldirektion Verbraucherschutz wurde die Verordnung des Kommissars David Byrne „ohne nennenswerte Veränderungen“ verabschiedet.

Mit der Verschärfung der „Novel-Food-Verordnung“ reagieren die Kommissare Byrne (Verbraucherschutz) und Wallström (Umwelt) auf die Vertrauenskrise der europäischen Landwirtschaft seit den jüngsten BSE- und MKS-Fällen. Die Kontrolle und Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln soll verbessert werden. „Zwingende Vorbedingung für die Verwendung“, so Byrne, „ist, dass ein Lebensmittel, das gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthält, entsprechend gekennzeichnet ist.“

Bisher schon müssen Lebensmittel ausgewiesen werden, wenn sie mehr als nur geringfügige Mengen an genmanipulierten Zutaten enthalten. Das wurde etwa dem Schokoriegel „Butterfinger“, den die Firma Nestlé 1998 in die Regale brachte, zum Verhängnis: Weil niemand den „Butterfinger“ kaufen wollte, zog die Firma den Schokoriegel ein Jahr später zurück.

Das Problem bei der Regelung bisher: Ob die Zutaten wiederum selbst aus genmanipulierten Zutaten bestehen, wird nicht mehr geprüft, moniert etwa Imke Ide von Greenpeace: „Margarinenhersteller erhitzen die Masse aus Sojaöl, sodass die genetischen Informationen zerstört werden. Dann ist nicht mehr nachprüfbar, ob unter den Ausgangsstoffen auch genmanipulierte Sojabohnen waren.“

Dem soll jetzt eine umfassende Nachprüfbarkeit entgegengestellt werden. Die gesamte Kette von der Herstellung der Inhaltsstoffe wie Raps, Soja oder Mais bis zum Verkauf des fertigen Produkts muss nun dokumentiert werden, sieht die Direktive vor. Außerdem werden die Langzeitrisiken der Freisetzung untersucht. Untersuchungen sollen klären, wie die freigesetzten Organismen etwa mit anderen genmanipulierten Organismen zusammenwirken. Schließlich sollen bei einer Freisetzung das Europaparlament und der Ministerrat gefragt werden. „Wird diese Direktive umgesetzt“, so Ide, „lässt sich genau zurückverfolgen, ob das Produkt aus GVO-Grundstoffen zusammengestellt wurde.“ Byrne schreibt weiter vor, dass GVO einer „rigorosen Sicherheitsprüfung“ unterzogen werden. Das sollen die „führenden Wissenschaftler Europas“ in einer EU-Lebensmittelbehörde untersuchen. Nur wenn die Forscher feststellen, dass ein gentechnisch verändertes Lebensmittel „keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit, die Tiergesundheit und die Umwelt darstellen“, wird es genehmigt. Die nationalen Regierungen sollen dann entscheiden, ob es verwendet werden darf – sofern es ein Etikett „genmanipuliert“ trägt. Bei „geringsten Spuren von GVO“, die nicht zugelassen sind, soll es allerdings eine Ausnahme von der Kennzeichnung geben – etwa bei potenziell manipulierten Aromastoffen und Hefen. Zudem sieht der Vorschlag von Byrne vor, dass auf der Verpackung von Lebensmitteln vor Stoffen gewarnt wird, die möglicherweise Allergien auslösen.