: Auf dem Rad einen Meter voraus
Gestern wurde eine Radfahrerin von einem Lastwagen überollt. Sie ist bereits das achte Todesopfer in diesem Jahr. Die Verkehrsverwaltung hat ehrgeizige Pläne für die Verkehrssicherheit der Zweiradfahrer. Die Frage ist nur, ob es dafür Geld gibt
von PLUTONIA PLARRE
Es geschah wie so oft beim Rechtsabbiegen. Warum der Fahrer des Lastwagens die 31-jährige Radfahrerin nicht bemerkt hat, ist unklar. Vielleicht befand sich die Frau, die gestern morgen in Köpenick von der Hinterachse des 14 Tonners überrollt wurde, in dem von der Fahrerkabine nicht einsehbaren toten Winkel.
Zwar teilte das Statistische Landesamtes gestern mit, dass die Zahl der Verkehrsunfälle in Berlin in der Zeit zwischen Januar und Mai im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7 Prozent zurückgegangen ist. Für Radfahrer gilt das offenbar aber nicht. Im gesamten vergangenen Jahr starben 17 Radler. Die gestern überrollte Radfahrerin war schon die achte tödlich Verunglückte in diesem Jahr.
Nach Angaben der Senatsverkehrsverwaltung waren im vergangenen Jahr insgesamt 6.259 Radfahrer in Verkehrsunfälle verwickelt. 1999 waren es 6.646. In 19 Prozent der Fälle hatten die Autofahrer beim Abbiegen Fehler gemacht, in 9 Prozent die Vorfahrt nicht beachtet. Die meisten Radunfälle passieren in Mitte (525) und Charlottenburg.
Grund genug für die Staatssekretärin für Verkehr, Marie Krautzberger (SPD), sich selbst aufs Stahlross zu schwingen. Zusammen mit den verkehrspolitischen Experten der Abgeordnetenhausfraktionen informierte sich Krautzberger gestern vor Ort über den Stand des Berliner Veloroutensystems und den Zustand des Radwegnetzes.
Fahrradpolitik hatte unter der Großen Koalition in den 90er-Jahren de facto nicht stattgefunden. Erst als die CDU das Verkehrsressort im Herbst 1999 an Peter Strieder (SPD) abtrat, setzte Bewegung ein. Strieder ernannte den ehrenamtlichen Vorsitzenden des ADFC, Michael Fröge, zum ehrenamtlichen Fahrradbeauftragten des Senats. Erstmals wurde ein eigener Haushaltstitel für die Förderung des Radverkehrs geschaffen. Die 5 Millionen Mark für dieses Jahr hat der rot-grüne Senat unlängst im Nachtragshaushalt verabschiedet, davon sind aber 3 Millionen gesperrrt. Eine Prognose über die Höhe des Etats für 2002 will Krautzberger angesichts der Haushaltskrise lieber nicht abgeben.
Geplant ist ein Ausbau des Veloroutennetzes von derzeit 60 auf 660 Kilometer. Radwege gibt es in der Berlin in 800 Kilometer Länge, wobei der Ostteil nach wie vor immensen Nachholbedarf hat. „Schrittweise umgesetzt“ werden soll nach Angaben des Referatsleiters für die Planung und Gestaltung von Straßen, Heribert Guggenthaler, auch ein Verkehrssicherheitsprogramm. Es soll vor allem dazu beitragen, die Gefahren beim Abbiegen zu bannen.
An einigen Kreuzungen gibt es das Modell der um einen Meter vorgezogenen Haltepositionen für Radfahrer bereits. Um den Autofahrern eine bessere Sicht auf die Radwege zu ermöglichen, soll das Parken 50 Meter vor Kreuzungen verstärkt verboten werden. „Das funktioniert aber nur bei einer Parkraumbewirtschaftung“, weiß Guggenthaler.
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