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■ H.G. HolleinHereinspaziert

Die Wohnung, für die ich Miete zahle, hat ein Leck. In einem Seelenverkäufer von Haus aus dem Jahre 1904 ist das eben schon mal drin. Die Nachbarin unter uns sieht das nicht ganz so philosophisch. Aber je nun – das weiche Wasser bricht den Stein, und so sickern bei jedem Regenguss ein paar Liter von unserem Balkon ins Mauerwerk und materialisieren als unschöner Fleck im Stuck von Untermieterin O. Aber wozu gibt es schließlich Fachleute? Der erste solcher Leut' warf kurz einen Blick von Innen durch die Balkontür – draußen regnete es nämlich –, sagte „Aha“ und „Da kommt jemand“. Daraufhin erschien alsbald ein gemütlicher älterer Herr, klopfte ein anno 04 eingemauertes Sieb aus dem Abflussrohr des Balkons, sagte „So“ und ging wieder. Allein, das Wasser fand weiterhin seinen Weg nach unten und innen. Also erschien sein Chef erneut, betrat diesmal sogar den Balkon, blickte gewichtig hin und her, sagte „Muss wohl neu versiegelt werden“ und „Wir sind Klempner, so was machen wir nicht“. Folglich stand einige Tage später ein dynamischer junger Mann vor der Tür, um sich „die Bescherung mal anzusehen“. Das tat er denn auch, kratzte ein wenig in den Ecken des Balkons, sagte „Uijui“ und nahm mit einem schicken Laserzollstock Maß. Beeindruckt von dieser Kombination aus Kompetenz und Hardware harrte ich eines Terminvorschlags für die anstehenden Arbeiten. „Nee, nee“, schüttelte der junge Mann freundlich herablassend den Kopf, „das is Malersache, ich bin Maurer“. Sprach's, ging und ward nicht mehr gesehen. Gestern rief nun ein Herr von einem Bauunternehmen an. Ob er sich unsere „Loggia“ mal kurz angucken dürfe, er sei gerade in der Gegend. Ich musste ihn allerdings dahingehend bescheiden, dass die Gefährtin gerade unter der Dusche stünde und ein bisschen g'schamig sei. Nun kommt er also Montag. Das wäre dann die fünfte fachmännische Balkonbeschau in – na ja – vier Wochen. Der Herr sagte dann noch, soweit er wisse, müss-ten da wohl mehrere Firmen ran. Ich vermute mal: ein Klempner, ein Maurer und ein Maler. Nur gut, dass wir ein allzeit offenes Haus führen.

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