: Rechtsfreie Autozone Altona
CDU und SPD wollen generelle Benutzungspflicht für Radwege an großen Straßen. ADFC: Das hebelt Bundesrecht aus ■ Von Gernot Knödler
Der ADFC hat der Bezirksversammlung Altona vorgeworfen, sie wolle die Fahrradnovelle der Straßenverkehrsordnung außer Kraft setzen und damit Bundesrecht brechen. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause hatten CDU und SPD in einem gemeinsamen Antrag durchgedrückt, dass „die Benutzungspflicht für Radwege auf Haupt- und Vorbehaltsstraßen aufrecht erhalten bleiben“ müsse.
Der Fahrradclub bezeichnete das als „massiven Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften der Straßenverkehrsordnung“. Lars Andersen von der GAL spricht von einem „Tiefpunkt im Verhältnis zwischen Rot und Grün in Altona“. Die Entscheidung über diese Straßen liegt aber ohnehin beim Senat.
Mit der Fahrradnovelle hatte die Bundesregierung zum 1. Oktober 1998 die generelle Benutzungspflicht für Radwege aufgehoben. Seitdem müssen Radler nur noch dann von der Straße weichen, wenn der Radweg als solcher ausgeschildert ist. Die Innenbehörde hatte daraufhin als erstes für eine halbe Million Mark blauweiße Schilder aufgestellt, um die meisten Radwege benutzungspflichtig zu machen. Der ADFC versucht seither in zäher Kleinarbeit, dies Radweg für Radweg widerrufen zu lassen.
Hintergrund der Novelle waren Ergebnisse der Verkehrssicherheitsforschung, nach denen RadlerInnen zusammen mit den Autos auf der Fahrbahn genauso sicher fahren wie auf Radwegen. Weil AutofahrerInnen die Pedaleure – etwa beim Rechtsabbiegen – besser sehen, waren die Unfallzahlen beim Mischverkehr bisweilen sogar geringer. Die Novelle stellt es unsicheren RadfahrerInnen frei, weiterhin auf dem Radweg zu fahren.
Die Fraktionen der SPD und CDU in Altona ficht das alles nicht an: „Im Interesse der Verkehrssicherheit“, schreiben sie, dürften auf den Haupt- und Vorbehaltsstraßen „keine Mischverkehre entstehen“. Vorbehaltsstraßen sind alle Straßen, die der Senat für so wichtig erachtet hat, dass nur die Baubehörde, nicht die Bezirke, über ihre Veränderung befinden darf – „im Prinzip alle Vorfahrtsstraßen“, sagt Frank Bokelmann vom ADFC.
Die Kritik des Fahrradclubs, der ja am besten wissen müsste, was gut ist für RadlerInnen, lässt der SPD-Fraktionsvorsitzende Horst Emmel nicht gelten. „Der ADFC vertritt nur eine Minderheit der Radfahrer“, sagt er, „diejenigen, die täglich unterwegs sind“. Was für die anderen gut ist, wissen SPD und CDU.
Hintergrund des Beschlusses in der Bezirksversammlung sind zwei konkurrierende Anträge der beiden Fraktionen im Vorfeld des Wahlkampfs. Die CDU hatte neben der Benutzungspflicht verlangt, die Busspuren auf der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße aufzuheben. Statt der Forderung nach Aufhebung der Busspuren ist im gemeinsamen Antrag jetzt nur noch von einer Minderung der „Stauerscheinungen im Bereich der Stresemannstraße“ die Rede. Ein aus Sicht der SPD brisantes Wahlkampfthema ist damit entschärft. Dafür wurde die Radwegebenutzungspflicht aufgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen