piwik no script img

Dünnes grünes Mäntelchen

Das Abfallkonzept des Senats plant die Verarbeitung von 200.000 Tonnen Müll jährlich im Verwertungszentrum Schwarze Pumpe. Doch dort weiß man von nichts

Das neue Abfallkonzept des Senats ist offenbar kaum mehr als eine Absichtserklärung. Um eine bisher geplante Ausweitung der Müllverbrennung zu vermeiden, ist in dem Papier unter anderem geplant, jährlich rund 200.000 Tonnen vorbehandelten Müll im Sekundärrohstoffverwertungszentrum Schwarze Pumpe (SVZ) zu Methanol zu verarbeiten. Nach Angaben von Senat und der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) sei man mit dem Unternehmen bereits länger im Gespräch.

Doch SVZ-Geschäftsführer Thomas Obermeier weiß von solchen Gesprächen nichts. Er hoffe zwar, dass die BSR „auf uns zukommen“, sagt Obermeier. Es wirke aber eher so, als ob die BSR mit ihrer Beteuerung eine „grüne“ Einstellung vor sich her trügen, im Verborgenen aber doch auf Müllverbrennung setzten.

Mit dem Antritt des rot-grünen Senats Mitte Juni sei die BSR praktisch „über Nacht“ von Müllverbrennung auf -verwertung umgeschwenkt, berichtet die Abfallexpertin Gudrun Pinn vom Umweltverband BUND. Am 26. Juni sei die von der BSR bis dahin favorisierte Müllverbrennung bei einer Gesprächsrunde mit Vertretern des Senats, der IHK, und des BUND deutlich kritisiert worden. Zwei Tage später warfen die Projektoren der BSR-Experten im Abgeordnetenhaus ein komplett umgestricktes Abfallkonzept an die Wand. In die Hand gab es nichts, erinnert sich Pinn. Mit der Begründung, eine genaue Kostenberechnung sei wegen der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, habe die BSR Nachfragen abgewiesen.

Das neue Konzept sieht nun den Bau von drei neuen Müllsortieranlagen bis 2005 vor. Die Abfälle sollen zu etwa drei Vierteln zu Biogas, Flüssig- und Festbrennstoffen aufgearbeitet werden. Dennoch will BSR-Sprecherin Sabine Thümler nicht ausschließen, dass ihr Unternehmen zukünftig weitere Müllverbrennungsanlagen, etwa in Rostock, errichtet.

Auch die Grünen sind mit dem ausgehandelten Kompromiss nicht zufrieden – nicht nur wegen der fehlenden Kostenkalkulation für die neuen Anlagen. Die grüne Wirtschaftspolitikerin Lisa Paus stößt sich auch weiterhin an der Monopolstellung der BSR bei der Hausmüllentsorgung bis 2015. Diese wurde im September 2000 noch mit der Großen Koaltion vertraglich abgesichert und werde nun durch das Abfallkonzept des neuen Senats zementiert, so Paus. Weil die BSR die fällige Lizenzgebühr von 805 Millionen Mark an das Land mit einem Kredit finanzierte, hat die Partei Verfassungsklage eingereicht.

Paus hofft nun auf ein Gegenlenken der von ihrer Partei gestellten Wirtschaftssenatorin Juliane von Friesen. Die solle als Aufsichtsratsvorsitzende der BSR für Auftragsvergaben an Dritte sorgen, so Paus. Doch von Friesen gilt als schwach. Ein Versagen ihrerseits würde von der SPD den Grünen als abfallpolitischer Misserfolg angelastet.

TILMAN STEFFEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen