: Mr. Perfect gesucht
Flirten für den dicken Bauch: Der Hamburger Cora Verlag sichert mit Erotiktipps die Rente ■ Von Gesine Kulcke
Nachwuchs braucht das Land. Und dafür scheint jedes Mittel recht. DerSpiegel erklärt den Mutterstolz zum neuen Trend, nur weil Steffi Graf plötzlich schwanger ist. Gaby Bauer, Jenny Elvers und all die anderen wichtigen Mamis, die wir in unserem Land so zum Herzeigen haben, werden zu den großen Vorbildern der bisher noch karrieresüchtigen und familienfeindlichen Frau. Gestern war der Nachwuchs noch ein Armutsrisiko, heute schon sehen wir überall dicke Bäuche und lachende Säuglinge, die der glücklichen Mutter das Chanel-Kostüm vollsabbern. Die Frau vergisst sich wieder selbst, die Keimzelle der Gesellschaft ist gerettet.
Bleibt die Frage, wer oder was das erfolgreiche Kopulieren inklusive in Zukunft die Rente sichernde Säuglinge, ausgelöst hat. Die Antwort erscheint regelmäßig zur heißen Flirtphase: der „Julia Sommerreport“. Seit 1997 stimuliert der Hamburger Cora Verlag mit erotisierenden Umfrageergebnissen und regt zur Paarung an. Wie Frauen sich ihren „Mr. Perfect“ wünschen, wollte der Verlag vor zwei Jahren wissen, und erfuhr unter anderem, dass er in seinen Sandalen weiße Tennissöckchen tragen sollte. Ein bisschen Unschuld steht ihm gut, aber nur an den Füßen. Der Hintern sollte knackig verpackt in einer engen Jeans stecken. Und da sollte er auch bleiben: Einen Mann in Badehose fanden nur acht Prozent der befragten Frauen attraktiv.
Aber keine Sorge. Im „Sommerreport 2001“ darf er sich dann doch ausziehen: für das Schaumbad bei einem Glas Champagner (finden 52 Prozent der Frauen und 70 Prozent der Männer gut). Mit Schaum und Champagner geplanscht wird nach dem Candlelight-Dinner, mit dem man fast jeden rumkriegen soll. Damit's dann hinterher auch mit dem Nachwuchs klappt, sollten dabei jedoch gewisse Regeln beachtet werden. Der Verführungskiller Nr. 1 ist Mundgeruch. Nach einer durchzechten Nacht oder einer Kebab-Orgie sollte der Mund also zu bleiben. Ist wahrscheinlich ohnehin für beide Seiten ganz angenehm: Ein paar erotische Blicke tun's für den Anfang ja auch und das Einstudieren qualifizierter Verführungsphrasen wie „Du hast eine tolle Figur“ (mögen nur fünf Prozent der Frauen) entfällt. Für „Mr. Perfect“ wird die Vorbereitungsphase sowieso schwer genug: erst in die enge Jeans steigen, um den knackigen Hintern zu präsentieren und dann muss auch noch ein vollständiges Paar weiße Socken gefunden werden. Wer es allerdings gleich beim ersten Mal mächtig knistern lassen will, sollte mit Mundwässerchen und mit Zahnseide polierten Zähnen, frisch geduscht und mit ordentlich Deo unter den Achseln zum Dinner erscheinen.
Das und noch viel mehr sagen die Befragten, von denen wir annehmen müssen, dass sie entweder die Tanten und Onkel der Autoren des Cora Verlags – die jedes Jahr mit 700 neuen Julia- und Bianca-Romanen – versuchen, die Welt zu verbessern oder aber ein Teil der Leser sind, die sich regelmäßig mit den knisternden Groschenheftchen eindecken. Immerhin 20 Millionen Exemplare will der Verlag jedes Jahr verkaufen. Das sollte für den angestrebten Babyboom reichen. Vielleicht schiebt der Spiegel ja auch noch einen netten Aufmacher nach.
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