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Engelsfratzen

■ Der Theaterberg verwandelt sich in einen „Garten der Sinne“. Frei nach Hieronymus Bosch sind dort Paradies und Hölle inszeniert

Der Theaterberg in den Wallanlagen ist an sich schon ein entrückter Ort. 100 Jahre stand hier das Bremer Theater, bis es von den Bomben des Zweiten Weltkriegs weggefegt wurde – geblieben ist eine geschlossene Gartenanlage, ein Park im Park.

Jetzt wird das Areal vollends in eine Insel verwandelt: Seit Tagen toben sich die MeisterschülerInnen des Bildungszentrums Faulenstraße aus. Die angehenden Floristinnen beweisen sich, unter Anleitung von Heike Damke-Holtz, als Landart-taugliche KünstlerInnen, schaffen Objekte und Installationen nach dem Vorbild von Hieronymus Boschs Tryptichon „Garten der Lüste“ von 1503/04. Auf ihm entwarf der Niederländer, Mitglied der sektenähnlichen „Gemeinschaft der Hohen Geister“, Visionen eines „irdischen Paradieses“ und einer „musikalischen Hölle“.

Die Phanatasieflut des alten Meisters ist für die Nachwuchs-Floristinnen ein Inspirationssegen. Statt Blumen zu stecken oder Kränze zu binden formen sie abnorme Heuplastiken und entwerfen Traumfiguren, immer die Bosch'sche Aufhebung der Proportionen, das Verschwimmen von oben und unten vor Augen – und schwankend zwischen paradiesischer Lieblichkeit, infernalischer Lust oder Greenawayscher Androgynität zwischen Blüte und Fäulnis.

Eindeutig für das Dämonische hat sich das ebenfalls beteiligte brenisch/niedersächsische Künstlerduo Udo Arndt und Jörn Garbade entschieden. Mit Tüchern, in Zement getaucht, haben sie eine von Bosch inspirierte Schreckens-Maske gebaut, die meterhoch zwischen den Bäumen lauert. Fratzen stecken auch in ihren „Backsteinen am Stiel“: Gephählten Steinen, Fehlbränden, die die beiden aus einem abgesoffenen Ziegelstollen gezogen haben.

An einem Blauglockenbaum hängt ein Geweih-Mobile, Frucht eines erfolgreichen Spendenaufrufs: „Wir haben mindestens 200 Gehörne bekommen“, erzählt Organisatorin Gundel Latanza – „viele Witwen waren froh, die Jagd-Trophäen ihrer Verblichenen sinnvoll los zu werden.“

Heute Abend steigt ein Spektakel im schon geschaffenen Spektakel: Kate Pearl von der Bremer „Pearly Passion“ ist als singende Schamanin angeheuert, die zeremonienmeisterinnen-like Dämonen und Engel auf die Bühne rufen wird – bis sie irgendwann die Szene nicht mehr kontrollieren kann ...

Komponist Peter Friemer hat insgesamt zehn MusikerInnen aufgeboten, um Himmel und Hölle zum Klingen zu bringen. Engelhafte Cellistinnen und Percussion-Dämonen werden ihre akustischen Kämpfe ausfechten, bis das Böse auch die Blondgelockt-Unschuldigen ansteckt. Überhaupt verspricht Friemer regelmäßige Rollenwechsel: „Natürlich bedienen wir eifrig die Klischees – um sie dann um so besser brechen zu können.“ Insgesamt sollen sich die Klänge zwischen Funk, Jazz, Romantik und impressionistischen Anklängen à la Debussy bewegen.

Bewegen werden sich vor allem auch vier Tänzerinnen um Nina Beinssen. Das Dämonische umzusetzen, sei ihr zunächst leichter gefallen, sagt sie – „aber dann war es auch sehr erholsam, mal Engel sein zu dürfen.“

Geengelt und gehöllt wird übrigens bei jedem Wetter, es sei denn, Sturmböen fegten Dämonen und Engel gleichermaßen aus den Bäumen. Unterhalb dieses – eigentlich auch ganz passenden – Szenarios muss Regenschirmhalten und Stühletrocknen reichen. Gundel Latanza: „Die Lappen liegen bereit.“ Henning Bleyl

Besichtigung bis einschließlich Sonntag von 10 bis 19 Uhr. Heute und morgen gibt es auf dem Theaterberg gegenüber der Bischofsnadel ein musikalisches und tänzerisches Abendprogramm, der (inszenierte) Einlass beginnt schon um 20.30 Uhr. Eintritt 20 Mark

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