Happy fraggin' bei westend_lan 3/01

■ Das Kniffeln des 21. Jahrhunderts: In Walle treffen sich 70 Computerfreaks und ballern wie blöde – ein ganzes Wochenende

Darklord war da, der Terror Telekom Clan sowieso, auch SystemNeo und die Leute von der Orga. Hoffentlich ist Speedgirl wenigstens gekommen, die war schon bei westend_lan 2/01 die einzige Frau. Seit Freitagnachmittag sitzen 70 Computerfreaks im Westend, balllern wie blöde an ihren Rechnern rum und haben – hoffentlich – einen Riesenspaß dabei. Ihr Gruß ist „Happy Fraggin'“ – „Glückliches Abknallen“. Ein Tod, ein Frag, ein Punkt mehr, um auf der Skala in Richtung Sieg aufzusteigen.

Hört sich „schlimm“ an, oder? Das ganze nennt sich Lan-Party und ist sowas wie das Kniffeln oder Skat-Spielen des 21. Jahrhunderts. Halt! Doch eher wie zu viel Fernsehen-Gucken, Comics lesen, mit Soldaten spielen oder keinen Spinat essen. Kurzum: Das, was Eltern ihren Kids nur mit Bauschmerzen erlauben – die Abknallerei ist wohl alles andere als politically correct.

LAN ist die Abkürzung für Local Area Network, dem Zusammenschluss mehrerer Computer an einem Ort, hier dem Waller Kulturzentrum. Alle bringen ihre Rechner selber mit, außerdem Schlafsack und Isomatte, um in der Chillout-Zone auch mal ein Nickerchen zu halten. Davon werden aber nicht viele Gebrauch machen: „Manche bekommen in den drei Tagen nur zwei, drei Stunden Schlaf“, meint Organisator Jens Schwepe von der Berliner Spiele Liga, die das Event für die DGB-Jugend Bremen ausrichtet. Also: die Jugendorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes geht tatsächlich mit virtuellen Tötungsspielen auf Mitgliederfang. O tempora, o mores – aber seit den Zeiten Ciceros haben sich die Sitten verdammt geändert. Schwepe: „Die haben auch kapiert, dass es nichts bringt, einen Liederabend zu veranstalten.“

Die Jugendlichen ab 18 Jahren kamen, sahen und siegten in Spielen wie „Quake 3“ oder „Unreal Tournament“. Der Knaller in der Lan-Szene scheint aber derzeit „Counterstrike“ zu sein. Terroristen, die versuchen, Schelmenstreiche zu verüben, wenn sie nicht eine Anti-Terror-Einheit daran hindert.

Das Spiel mit dem Tod muss offenbar sein. „Mir war es früher auch wichtiger, meine Eltern bei ,Mensch ärgere dich nicht' zu schlagen als die Pinökel ins Häuschen zu bringen“, meint Schwepe.

Verschiedene „Clans“ – Spielertrupps – bekämpfen sich aufs Blut: Die Terroristen legen Bomben, nehmen Geiseln, versuchen, VIPs zu erschießen – mit „echten“ Waffen wie einer Smith & Wesson oder einer AK 47. Schwepe: „Das Spiel ist sehr naturalistisch: In der deutschen Version agieren Roboter, die anstatt Blut Öl verlieren und anfangen zu heulen, wenn sie getroffen sind. Deshalb spielt auch niemand die deutsche Version.“

Mit dem Thema Gewalt werde trotzdem sehr bewusst umgegangen, meint der Mann von der „Orga“. Schwepe setzt eher am Benimm der Spieler an: „Ich lege Wert darauf, dass keiner flucht.“ Deshalb hat der Spielleiter eine Liste von 250 Wörtern von „Scheisse“ bis „Arschloch“ aufgestellt, die nicht benutzt werden dürfen. Diese „Admins“ achten auch darauf, dass die Netzwerker sich anständig benehmen. Wer Teamkollegen umbringt, wird gesperrt, verliert fünf Lebenspunkte oder lässt alle Waffen fallen und fängt an zu glühen. Krude, böse große Welt des Spielens. ksc