: Wieder Wasser und Brot
Insassen der JVA Tegel setzen Hungerstreik nach Gespräch mit Justizverwaltung aus. Für unerträgliche Lage und Überbelegung soll bald nach Lösungen gesucht werden
Tegel wird nicht Attica. Die Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt Tegel haben sich gestern nach einem Treffen mit der Senatsverwaltung für Justiz sowie der Anstaltsleitung entschieden, ihren dreitägigen Hungerstreik „auszusetzen“. Nach Angaben von Wieland Herrmann, einem der 32 Streikenden, hat man sich auf eine vorläufige Beendigung der Nahrungsverweigerung geeinigt, da den Forderungen der Gefangenen nach einem Gespräch mit einem Vertreter der Verwaltung entsprochen worden war. Zugleich sei ihnen zugesichert worden, dass die Senatsverwaltung für Justiz die schlechten Haftbedingungen und die kritisierte Überbelegung in der JVA Tegel prüfen werde. Erst dann werde der Hungerstreik endgültig beendet, so Herrmann.
Laut Justizsprecher Sascha Daue war mit vier Gefangenenvertretern ein einstündiges Gespräch durchgeführt worden. Dabei sei die „bestehende Problematik erörtert worden“, zugleich konnten die Häftlinge ihre Lage und die ihrer Mitgefangenen „im Einzelnen schildern“. Alle Beteiligten, so Daue, seien sich einig gewesen, dass insbesondere die Überbelegung nicht sofort gelöst werden könne. Die Probleme sollten jedoch so zügig wie möglich gemeinsam mit den Gefangenen untersucht und Lösungsmöglichkeiten überlegt werden, sagte der Sprecher.
Die Senatsverwaltung muss sich dennoch den Vorwurf gefallen lassen, erst spät auf die Situation in Tegel reagiert zu haben. Bereits Anfang Juli hatten die Gefangenen in einem Schreiben auf die unerträgliche Lage sowie die schlechte Behandlung durch Vollzugsbeamte aufmerksam gemacht. Mit 1.700 Inhaftierten auf 1.536 Plätzen ist die JVA deutlich überbelegt. Ihren Streik begründeten die Häftlinge damit, keine Reaktion auf ihre Forderungen erhalten zu haben, und dass „durch den praktischen Verwahrvollzug“ weder eine Resozialisierung noch eine Perspektive für sie existiere. Seit dem Beginn des Sommers kommt es außerdem zu Schikanen in Teilen der Anstalt. So wurden die Duschzeiten reduziert, die Anstaltskost reduziert und Obst gestrichen.
Während der CDU-Rechtsexperte Andreas Gram davor warnte, dass die Aktion der Häftlinge außer Kontrolle geraten könnte, hält Sigrid Melchert, Sozialarbeiterin beim Verein „Freie Hilfe Berlin“, die Forderungen der Häftlinge für berechtigt. Die Insassen streikten, weil ihre Zellen oft zu früh verschlossen würden. Es herrsche eine große Unzufriedenheit in der JVA Tegel, so Melchert. ROLA
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