: Check-in nur mit weißer Hautfarbe
Trotz gültiger Ausweise und Tickets werden tschechische Roma, die nach Irland oder Großbritannien fliegen wollen, systematisch am Prager Flughafen zurückgewiesen. London und Dublin wollen sich so vor Asylbewerbern schützen
aus Prag ULRIKE BRAUN
Die Enttäuschung steht ihnen ins Gesicht geschrieben: Monatelang hatten Karel und seine Frau Vera auf ihren Irlandurlaub gespart. Noch vor dem Abflug aus Prag wurde ihnen klargemacht: Die grüne Insel streckt die Hand der Gastfreundschaft nicht jedem entgegen. Karel und Vera sind tschechische Roma und die scheinen in diesem Sommer in Großbritannien und Irland nicht besonders erwünscht zu sein.
Britische wie irische Behörden befürchten eine Wiederholung der Einwanderungswelle der vergangenen Jahre. Gesellschaftlich diskriminiert und oft Opfer gewalttätiger Angriffe sind immer mehr tschechische Roma reif für die Insel. Sie wollten nur Veras Bruder besuchen, der mit seiner Familie schon vor zwei Jahren nach Irland ausgewandert sei, behauptet Karel. Doch die junge Dame von der tschechischen Fluggesellschaft CSA beantwortet seine Beteuerungen nur mit einem mitleidig-kalten Blick. Nach kurzen Warten ist es klar: Per Fax haben die irischen Behörden die Einreise verweigert. Obwohl sie ein gültiges Hin- und Rückflugticket besitzen, lässt die Fluggesellschaft Karel und Vera nicht an Bord.
So wie ihnen geht es an diesem Vormittag weiteren 16 Roma, die nach Dublin fliegen wollten. „Zwei CSA-Angestellte haben alle Roma aus der Schlange am Check-in-Schalter herausgeholt und sie regelrecht verhört“, erzählt Yasar Abugosh, der die Situation am Prager Flughafen für das Helsinki-Komitee beobachtet. Die Anweisung aus Irland, schon im April dieses Jahres vom irischen Immigration Office nach Prag gefaxt, ist einfach: Jeder Reisende muss beweisen können, dass er seinen Aufenthalt im Lande der Leprechauns auch finanzieren könne. Mit Unterkunft, so das Fax, reichen 30 Pfund pro Tag, ohne müsse man schon 90 Pfund berappen. „Keiner wurde nach seinen finanziellen Mitteln gefragt“, behauptet Abugosh: „Die Roma wurden von der Fluglinie einem regelrechten Verhör unterzogen und dann abgewiesen.“
Während die Iren sich zu diesen Vorfällen lieber in Schweigen hüllen und eine Stellungnahme ablehnen, zeigen die Untertanen ihrer Majestät Präsenz. Die britischen Einwanderungsbehörden haben in der Abfertigungshalle des Flughafens einen Schalter eingerichtet, in dem sie Reisende den üblichen Einwanderungsprozeduren unterziehen. So behaupten jedenfalls die Briten. Die Praxis der vergangenen Wochen hat gezeigt, dass vor allem die Hautfarbe entscheidet, wer über den Kanal fliegen darf. Diese Behauptung, der Umfragen nach rund 54 Prozent der Tschechen zustimmen, wird von britischer Seite zwar heftig dementiert. Das tschechische Fernsehen wollte es wissen und schickte zwei Reporter mit gleichlautenden, gültigen Dokumenten an den Schalter. Nur die „Weiße“ kam durch die Kontrolle, der Roma wurde zurückgeschickt.
Als erniedrigend und unwürdig empfinden die Tschechen die Kontrollen der „British Consular Officers“. Die verhalten sich in diesem weit entfernten Land von dem sie wenig wissen, als ob das Königreich noch eine Kolonialmacht wäre. Einer Roma aus Brünn wurde die Einreise mit dem Argument verweigert, sie habe keine Arbeit. Die Erklärung der Frau, sie befinde sich noch im Mutterschaftsurlaub war den britischen Beamten nicht einmal eine Reaktion wert. „Dann doch lieber Visa“, finden die meisten Tschechen, und auch die Politiker in Prag denken so. Wenigstens, so das Argument, sei das eine gerechtere und menschenwürdigere Lösung. Die Empörung ob der eigenen Servilität und die Diskussion um die britische Präsenz lässt jedoch eines völlig außer Blick: Die Situation der Roma in Tschechien. Rassistische Gewalttaten nehmen zu, während der Arm des Gesetzes auf dem rechten Auge blind bleibt.
Dem britischen Botschafter in Prag, David Broucher zufolge, seien die Kontrollen auf dem Prager Flughafen nur eine Maßnahme, um eine wachsende Anzahl von Asylbewerbern zu vermeiden. Der tschechische Außenminister Jan Kavan, der einst selbst politisches Asyl auf der Insel genoss, sieht diese Maßnahme im Einklang mit rechtlichen Vorschriften und internationalen Abkommen. Der Rat der tschechischen Regierung für Menschenrechte sieht das anders: Die Kontrollen der Briten seien zweifellos ein „bedeutender Eingriff in die durch internationale Menschenrechtsabkommen garantierten Rechte“, heißt es in einer rechtlichen Analyse.
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