EU-Knüppelgarde ist utopisch

Unbeirrt von Kritik will Bundesinnenminister Schily seinen Vorschlag für eine europäische „Anti-Krawall-Polizei“ beim Treffen der EU-Innenminister einbringen

BERLIN taz ■ Mit seinem Vorschlag für eine europäische „Anti-Krawall-Polizei“ hat Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) überwiegend Skepsis und Unverständnis provoziert.

Während der CDU-Fraktionsvize im Bundestag, Wolfgang Bosbach, auf die unklaren Rechtsgrundlagen hinweist, sich die Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele und Cem Özdemir fragen, wie denn eine rechtsstaatliche Kontrolle solcher Polizeieinsätze aussehen könnte, werden die Praktiker am deutlichsten: Von einer „ziemlich populistischen Forderung“ spricht die Gewerkschaft der Polizei, während der Bund Deutscher Kriminalbeamter Schilys Idee als „grotesk“ bezeichnet. Schily will das Thema dennoch beim nächsten Treffen der EU-Innenminister im September auf die Tagesordnung setzen. Bisher existiert auf europäischer Ebene nur Europol in Den Haag. Doch mit dieser europäischen Polizeibehörde wird das neue Projekt, so es je zustande kommt, wenig zu tun haben. Bei Europol geht es um grenzüberschreitende Straftaten wie etwa Drogen- oder Frauenhandel.

Doch Europol darf nicht einmal Durchsuchungen vornehmen oder einen Verdächtigen verhaften, weil Staaten wie Frankreich und Großbritannien streng darauf achten, dass die EU-Polizei gegenüber ihren Bürgern keine direkten Hoheitsrechte erhält. Der von Schily gewünschte Einsatz einer Polizeitruppe, die mit „angemessener konsequenter Härte“ europäische Gipfel schützt, ist da kaum vorstellbar. Wie Schily einräumte, ist der Aufbau einer „Anti-Krawall-Polizei“ allenfalls „langfristig“ denkbar. Zuvor müssten sich die EU-Staaten einstimmig darauf einigen, die EU-Verträge zu ändern. Dann müsste man sich über den Sitz einer solchen Truppe einigen – was schon bei weniger heiklen EU-Behörden schwierig ist. Wenig praktikabel erscheint aber auch der Einsatz einer zentral kasernierten EU-Polizei. Vermutlich würde man daher eher anstreben, aus nationalen Einsatzkräften von Fall zu Fall EU-Polizeiverbände zusammenzustellen.

Dabei entstünden aber Reibungsverluste. Die Teileinheiten könnten nur selten miteinander trainieren und hätten wohl schon Schwierigkeiten bei der Verständigung. Da die polizeilichen Aufgaben und die Rechtslage in allen EU-Staaten unterschiedlich sind, käme es auch zu großen Abstimmungsproblemen. Wie reagiert man etwa, wenn im Tumult eine Anweisung der Polizei ignoriert wird? Wird der Schlagstock sofort eingesetzt? Im Zweifel würde wohl das Polizeirecht des Einsatzortes gelten. Das bedarf zumindest einer intensiven Schulung der Führungskräfte. Die im Dezember vergangenen Jahres beschlossene Europäische Polizeiakademie ist dazu jedoch nicht in der Lage, sie befindet sich noch „in Vorbereitung“. Denkbar wäre, dass der Ausrichtungsstaat eines Gipfels bilateral von anderen Staaten Polizeikräfte anfordert. Diese könnten sich dann um die angereisten Demonstranten aus dem jeweiligen Mitgliedsstaat kümmern.

Was aber tun, wenn sich die Demonstranten vermischen? Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn etwa deutsche Polizisten in Genua einen italienischen Demonstranten erschossen hätten. Heute schon gilt allerdings eine andere Form von Amtshilfe. In Genua waren deutsche Polizeibeamte vor Ort, die die örtlichen Kräfte berieten. Mehr dürfte wohl auch in Zukunft kaum möglich sein.

CHRISTIAN RATH

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