edmontonian des tages: ingo schultz, zweiter über 400 m
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Im Vergleich zu neuen Champions wie der 100-m-Siegerin Shanna Pintusewitsch-Block oder der Stabhochspringerin Stacey Dragila hat es Ingo Schultz doch um einiges besser. Auf den langen Kerl aus Lingen im Emsland ist in Edmonton nämlich niemand neidisch, wirklich nicht, schon eher das Gegenteil ist der Fall: Alle, zumindest aus der deutschen Abordnung, gönnen dem 25-Jährigen den Erfolg, den er hier über die 400 Meter hatte. Dass Schultz im Finale Silber gewann mit 44,87 Sekunden, geschlagen nur von Avard Moncur von den Bahamas (44,64 Sek.), und schon im Halbfinale persönliche Bestzeit (44,66) gelaufen ist, was vor ihm nur zwei Landsleute geschafft haben, ist nicht nur aus deutscher Sicht die Sensation schlechthin. „Wenn ihr seinen Namen bis gestern noch nicht gekannt habt, macht euch nichts draus“, sagte der neue Weltmeister Moncur grinsend zu den verwirrten Vertretern der Weltpresse, „ich habe ihn bis gestern auch noch nicht gekannt.“

Der zweite Platz von Edmonton ist allemal Ausdruck des unglaublichen Talents von Schultz, denn zur Leichtathletik gekommen ist der knapp 100 Kilo schwere und 2,02 m große Schlacks erst vor gut drei Jahren und eher aus Zufall, weil für seine berufliche Karriere bei der Bundeswehr zweimal Sport pro Woche vorgeschrieben war. Davor schob er als ziemlich einzige sportliche Betätigung Klötzchen übers Schachbrett.

Vom Schachspieler zum 400-m-Vizeweltmeister, das ist nun wirklich eine erstaunliche Entwicklung, über die sich sogar Jürgen Krempin, Trainer und Entdecker von Schultz, bisweilen wundert, schließlich ist sein Schützling noch längst kein fertiger Athlet und ganz bestimmt noch steigerungsfähig. „Der läuft so schnell, wie man mit seinem Laufstil eigentlich gar nicht laufen kann“, sagt Sportlehrer Krempin. Was offenbar nicht weiter schlimm ist für einen, der irgendwie ganz besonders viel Talent fürs Laufen mit auf den Weg bekommen hat. KET