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Aufgehen in der Geometrie

Voll auf Linie: Die Galerie Kicken in Berlin bietet Einblicke in das Werk des deutschen Modefotografen F. C. Gundlach - einem Freund des Optical Art-Designs der 60erjahre

Modefotografen haben es nicht einfach. Robert Altman hat sie in „Pret-a-porter“ zwar als begehrte, aber auch irgendwie verbitterte Kerle dargestellt. Wer immer nur das Medium zum Medium beisteuern darf, muss über die Jahre zynisch werden. Nur wenigen wie Helmut Newton oder Jeanloup Sieff ist es gelungen, nicht nur der flüchtigen Haute Couture einen Hauch von Ewigkeit zu geben.

Auch F. C. Gundlach, einer der umworbensten Modefotografen der alten Bundesrepublik, gehört dazu. Bis in die 80er-Jahre war Gundlach einer der Großen hinter den internationalen Laufstegen. Weniger, weil er der Modefotografie einen unverwechselbaren Stil gegeben hätte, sondern weil er es verstanden hat, die Handschriften der Mode und Kunst aufzusaugen und mit seinen Bildern auf die Spitze zu treiben. Gundlach ist besonders in den 60ern ein Chamäleon der Kamera. Dass die Galerie Kicken dieser Tage lediglich etwas zeitversetzt zur Kunstbibliothek eine weitere Gundlach-Ausstellung nachschiebt, mag also durchaus berechtigt sein: Der deutsche Modefundus zeigt sich in Berlin in den letzten Monaten ohnehin etwas präsenter. Nach der zweiten Yva-Ausstellung nun also der doppelte Gundlach.

Bei Kicken hat man sich allerdings nicht nur auf die Kleidung festgelegt. Besonders während seiner Anfangsjahre war F. C. Gundlach auch an den Großen des europäischen Showbusiness interessiert. „Die andere Romy“ etwa, die einen gleich zu Beginn der Ausstellung abgeschminkt und etwas blass in Empfang nimmt. Selten zuvor hat man Rosemarie Albach mit solch einem unaufgeräumten morgendlichen Badezimmerblick gesehen wie auf diesen Fotografien von 1962.

Ein paar Bilder weiter das „geborgte Glück“ des Schauspielers Curd Jürgens und seiner vierten Ehefrau Simone Bicheron. Während Jürgens sich ganz im Vordergrund präsentiert, als müsse der Held in die Linse schauen, sitzt Simone fast kauernd in der untersten Bildecke. Dass wenige Jahre später Ehefrau Nummer fünf dran ist, ergibt sich bei solchen Posen fast wie von selbst. Ebenso trügerisch das Geklammer von Yves Montand und Simone Signoret. Beim ersten Mal noch Umarmung, sieht es auf den zweiten Blick schon nach Würgegriff aus.

Mag sein, dass viele dieser fotografischen Einsichten erst aus der Retrospektive möglich und schlicht und ergreifend Zufall gewesen sind, aber welches Medium würde schon mehr vom Zufall leben als die Fotografie. Das gilt auch für ein kleines, eigentlich unbedeutendes Gruppenbild, das die Veranstalter der Miss-Germany-Wahlen 1954 zeigt. Mit dicken Sonnenbrillen und Pomade im Haar schauen gut gelaunte Wohlstandswonneproppen in die Kamera, die mit dieser „Neuen Lustigkeit“ fast zum Symbol ihrer Zeit hätten werden können.

Doch während man sich in den 50ern gerade noch mal so herausgefressen hat aus dem Schatten Hitlers, sprechen Gundlachs Modeaufnahmen der 60er eine andere Sprache. Nicht mehr die pelzbesetzte Abendgarderobe steht hier im Vordergrund, sondern die Tarnung, das Verschwinden: F. C. Gundlach wird zu einem Spezialisten für Op-Art-Design. Models wie Judy Dent tragen nicht nur Mode mit futuristisch daherkommenden Linien und Karos, sie lösen sich auf Gundlachs Bildern zwischen den neuen geometrischen Strukturen geradezu auf.

Die Designer der Optical-Art schneidern ihre Kleider in Anlehnung an die französische „Groupe de Recherche d’Art Visuel“ und Gundlach betreibt damit fotografischen Schabernack. Betonte Rundungen setzt er vor spitz zulaufende Pyramiden, und gerade Linien bricht er mit Hilfe gewölbter Flächen. Hier wird die Bildwelt samt Insassen zur kalten und berechenbaren Geometrie. Fast symbolisch hat er 1962 ein Model von den Füßen auf den Kopf gestellt. Die moderne Welt ist verquer: Nicht mehr der Mensch zieht die Mode an – die Mode trägt den Menschen auf. RALF HANSELLE

F. C. Gundlach: „A passion for Photography“, bis 25. 9., Di–Sa, 11–18 Uhr, Galerie Kicken Berlin, Linienstr. 155

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