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Billigstrom jetzt auch rückwirkend

Die Bewag muss erstmals einem Rechtsanwalt seine Stromkosten zum Teil erstatten. Das Unternehmen redet von einem Einzelfall, aber weitere Klagen drohen. Auch Gasag und Wasserbetriebe könnten betroffen sein

Die Verbraucherzentrale warnt die Bewag-Kunden vor übertriebenen Rückerstattungshoffnungen und voreiligen Klagen

Dem Stromversorger Bewag droht eine Prozesswelle. Drei findige Rechtsanwälte verlangen von dem einstigen Monopolunternehmen die Erstattung von rund 30 Prozent ihrer Stromkosten. Würden alle Berliner Haushalte diesem Beispiel folgen, könnten auf die Bewag Zahlungen in Höhe von bis zu 250 Millionen Mark pro Kalenderjahr zukommen.

Mehr als 5.000 Mark muss der Stromkonzern dem Anwalt Manfred Terhedebrügge erstatten, entschied das Landgericht. Terhedebrügge hatte behauptet, die Bewag habe vor der Marktliberalisierung im Jahre 1999 Privatkunden den Strom teurer als notwendig angeboten. Dabei verpflichtet das Gesetz die Energiebetriebe, ihre Leistung so günstig wie möglich anzubieten.

Die Bewag hält das Urteil für eine „absolute Einzelentscheidung“. Es sei „kein Präzedenzfall“. Bisher habe der Konzern ähnliche Prozesse stets gewonnen. „Gegen die gleichen Anwälte haben wir schon in fünf Fällen gesiegt“, so Bewag-Sprecher Siegfried Knopf.

Diesmal muss das Unternehmen dennoch zahlen. Eine Revision vor der nächsthöheren Instanz, dem Kammergericht, ist wegen der geringen Streitsumme nicht möglich. Auch könne man, sagt Knopf im Gespräch mit der taz, „nicht ausschließen, dass jetzt auch andere Kunden Geld zurückfordern“.

In der Tat standen bei Terhedebrügge und seinen Kollegen Joachim Luckner und Christian Gabriel die Telefone gestern nicht still. „Viele Bürger wollen uns ihre Unterlagen schicken und denselben Weg gehen“, sagt Rechtsanwalt Luckner. „Wir haben da wohl eine Marktlücke entdeckt“, so der 44-Jährige. Die drei Anwälte hatten argumentiert, die drastische Preissenkung der Bewag im Jahre 1999 belege, dass das Unternehmen auch vorher schon günstigeren Strom hätte anbieten können.

Terhedebrügge erhält daher rückwirkend für sieben Jahre Geld zurück: Immerhin 6,5 Pfennig pro verbrauchte Kilowattstunde. Grundsätzlich ist laut Luckner aber noch mehr drin: „Der Anspruch verjährt erst nach 30 Jahren.“ Und zwar nicht nur gegenüber der Bewag: Auch gegenüber der Gasag oder den Wasserbetrieben ließen sich eventuell ähnliche Forderungen erheben. „Wir prüfen das derzeit noch.“

Geld bekommt aber grundsätzlich nur, wer selbst klagt. Die Verbraucherzentrale warnt die Bewag-Kunden „vor übertriebenen Rückerstattungshoffnungen“ und „voreiligen Klageerhebungen“. Da noch ein ähnliches Verfahren beim Kammergericht anhängig sei, gelte der Grundsatz: „Ruhe bewahren und mit Bedacht die weitere Entwicklung beobachten.“

Auch die Bewag beurteilt die Chancen von klagenden Kunden als schlecht: Das Unternehmen habe die Tarife keineswegs willkürlich festgesetzt. „Unsere Preise mussten wir stets von der Preisprüfungsbehörde des Senats genehmigen lassen“, betont Unternehmenssprecher Knopf.

Die der Wirtschaftsverwaltung unterstellte Behörde überprüft regelmäßig die Kalkulationen und die Jahresabschlüsse der Bewag – das dauert jedes Mal etwa drei Monate. Claus Guggenberger, Sprecher der Verwaltung, geht auch nach dem Urteil davon aus, dass diese Prüfung „stets korrekt“ gewesen ist und das Verfahren nicht geändert wird.

DIRK HEMPEL

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