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Die Schafrichterin vom WDR

Bettina Böttinger trifft vier Mal ins Schwarze – und knöpft sich in ihrem Sommersonderformat Außenseiter der Gesellschaft vor. Wo es heiß hergehen könnte, weht aber nur ein laues Lüftchen

von JUTTA HEESS

Ein Schaf allein macht noch kein Sommerformat. Da müssen schon vier herhalten. Schwarze am besten. Sprich: Die Schicksale von Menschen, die am Rande der Gesellschaft geparkt haben, sollen Zuschauer locken. So dachte zumindest der WDR und hob eine vierteilige Special-Talk-Edition ins Programm. Und Bettina Böttinger in einen gletschereishellblauen Hosenanzug.

Engelsgleich in ihrer äußeren Erscheinung, aber gewohnt resolut, knöpft sie sich heute Abend den ersten Outlaw vor: Es ist der zu fünf Jahren Haft verurteilte Betrüger und Heiratsschwindler Klaus Huber. In einem Film werden seine Fehltritte versendet, in einem blassbeigen Studio muss sich der schafschwarz gekleidete Sündenbock anschließend von Frau Böttinger kreuzverhören lassen. Huber hat eine Krankenkasse um Millionenbeträge erleichtert und sechs Frauen seine Liebe vorgegaukelt, damit er auf ihren Konten sein illegal Erwirtschaftetes ablegen konnte.

Dieses Vorgespräch dauert etwa eine halbe Stunde und ist trotz Hubers ernormer Schandtatenliste zum Blöken langweilig. Zumindest für den Zuschauer. Mit dem Delinquenten, der den Böttingerschen Fangfragen, süß-sauer, ausgesetzt ist, möchte man dennoch nicht tauschen. Schließlich muss er schon bald den Schweißperlen auf seiner Stirn die Schleusen öffnen. Und sich den Anschuldigungen von fünf Zeugen – den „weißen Schafen“ – stellen, die zu seiner Tat etwas zu sagen haben. Im Falle Hubers kommen eine Vetreterin der gespatzten Krankenkasse, ein Gerichtsjournalist, ein Psychologe sowie eine Komplizin Hubers und eine Betrogene zu Wort.

Sie sitzen hinter einem weißen Zaun vor einem versteinerten Publikum und warten brav, bis ihnen die betroffen lächelnde Moderatorin das Wort erteilt. „Er hat meine Gefühle und mein Vertrauen missbraucht“, klagt die angeschmierte Geliebte, die sich vermutlich extra für den Fernsehauftritt eine neue Brille zugelegt hat. Die blauen Augengläser tauscht sie jedoch kurz darauf gegen ein schärferes Seh-Geschütz, damit sie ordentlich aus einem Liebesbrief vorlesen kann, den ihr Herr Huber einst geschrieben und auch geschickt hatte. Zuvor erklärte der Ersatzkassen-Casanova stammelnd, dass er sich an seine herzensbrechenden Erklärungen überhaupt nicht entsinnen könne.

Das ist auch schon das einzige Kleinst-Highlight dieses Tele-Tribunals, das im Vorfeld häufig mit Ulrich Meyers „Der heiße Stuhl“ verglichen wurde. Zu Unrecht, denn während dort wenigstens die Fetzen flogen, ist das „Schwarze Schaf“ ein Palaver-Format mit sedierender Wirkung. Das erklärte Ziel der Macher, behutsam mit den Gästen umzugehen, ist zwar lieb und gut gemeint, doch mit Liebe und Güte hält man vermutlich keine Zuschauer am Schirm. Und schon gar nicht eine volle Stunde lang. Einschalten sollte man dennoch wieder bei einer der nächsten Folgen. Dann wird das von Viva gekickte Enfant terrible Niels Ruf den Wolf im Schafspelz spielen. Und vielleicht allen Beteiligten inklusive der Moderatorin etwas Unanständiges auf der Panflöte vorspielen.

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