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Neuer Großknast in Bremen ja, aber kleiner als vorgesehen

■ Grüne stellen Gegengutachten zur Reform des Strafvollzugs vor / Kooperation mit Niedersachsen möglich

Maximal 540 Menschen sollen nach dem Willen der Grünen mittelfristig in Bremer Gefängnissen einsitzen – ein Drittel weniger als zur Zeit Plätze vorhanden sind. Hermann Kuhn, justizpolitischer Sprecher der Fraktion, präsentierte gestern ein Gutachten des Bremer Kriminologen Kai Bammann, das die Notwendigkeit des Baus eines Großknastes mit 700 Plätzen bestreitet. Einen Neubau diese Größe hatte die Unternehmensberatung Roland Berger vor wenigen Monaten Justizsenator Henning Scherf (SPD) empfohlen.

„Haftvermeidung, Haftverkürzung und Reduzierung von Haftplätzen“ – das sind Bammanns Vorschläge zur Reform des Strafvollzugs. Die Grünen wollen damit nicht nur die Gefängnisse entlasten, sondern auch noch sparen. Mittelfristig geht Bammann von sinkenden Häftlingszahlen aus, weil die Bevölkerung und die Zahl der – häufiger straffälligen – Jugendlichen abnimmt. Dieser Trend sei jetzt schon zu verzeichnen.

Eine Einschätzung, die Werner Sohn von der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden bestätigt. Aber: „Auch bei sinkender Kriminalität kann der Bedarf an Plätzen steigen.“ Der Rückgang an Straftaten gelte weniger für die schwere Kriminalität. Eine Reduktion der Inhaftiertenzahlen sei trotzdem möglich, „wenn die Politik auf Haftabbau setzt“.

Dahin zielen auch die Vorschläge der Bremer Grünen. Sie wollen den Täter-Opfer-Ausgleich, die Straffälligenhilfe und die Schuldnerberatung ausbauen, Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit ersetzen und U-Haft durch gute Beratung der Betroffenen vermeiden. Die Haushaltsmittel für diese Maßnahmen waren zuletzt um ein Drittel gekürzt worden.

In einem sind sich Berger-Gutachten und der Grüne Kuhn einig: Beide wollen 30 der 250 Stellen im Vollzug streichen. Die verbleibenden 220 Beamten hätten sich dem Grünen-Modell zufolge jedoch nur um 540 statt um 700 Gefangene zu kümmern. Kuhn erhofft sich so mehr Erfolg bei der Resozialisierung: „Letztlich teuer ist doch, wenn die Leute wieder straffällig werden.“

Grüne wie Scherf wollen hingegen beide, dass Jugend- und Erwachsenenvollzug getrennt bleiben. Ebensowenig will Scherf den offenen Vollzug mit dem geschlossenen zusammenlegen. Unter diesen beiden Bedingungen ließen die Grünen sogar über einen bremisch-niedersächsischen Gefängnisneubau in Oslebshausen mit sich reden: für maximal 400 Männer. Armin Simon

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