: In Bubkas Sog nach oben
Der Australier Dmitri Markov überspringt 6,05 Meter und nähert sich dem Weltrekord bis auf neun Zentimeter. Die deutschen Stabhochspringer demonstrieren Geschlossenheit. Sie scheitern allesamt
aus Edmonton FRANK KETTERER
Wenn etwas Stimmung gebraucht wird im weiten Commonwealth Stadium zu Edmonton, flimmert die entsprechende Botschaft in großen Leuchtziffern über die Videoleinwand. „Can’t hear You“, ist zu lesen und „Please make some noise“ – und dazu sieht man zwei Bärchen., wie sie vergnügt in die Hände klatschen, als Vorbild fürs kanadische Publikum, das sehr zurückhaltend ist, wenn es um Leichtathletik geht. Eishockey mögen sie halt lieber. Am Donnerstagabend aber hätten die Bärchen getrost frei nehmen können, zumindest für die Zeit um kurz vor neun. Denn da brauchten die rund 25.000 im Stadion keine Animateure, sondern standen von ganz alleine von ihren Sitzen auf und klatschten begeistert Beifall.
Es war spektakulär, was da in der Kurve geboten wurde, dort, wo die besten Stabhochspringer der Welt ihren Meister ermittelten. Ganz besonders ein Mann animierte die Massen: Dmitri Markov hatte die Latte auf 5,95 m legen lassen und war drübergesprungen im ersten Versuch, als Einziger der Konkurrenz überhaupt und somit als neuer Weltmeister. Dann hatte der gebürtige Weißrusse, der seit 1999 im Besitz der australischen Staatsbürgerschaft ist, die Latte auf 6,05 m heben lassen – und sie im zweiten Versuch überquert; schließlich mussten die Kampfrichter das Hinderniss auch noch in die lichte Höhe von 6,10 m hinaufschrauben, was selbst der wenig sachkundige Kanadier als große Sensation empfand.
Jedenfalls tobte das Stadion bei jedem der drei Versuche, und selbst dass Dmitri Markov die Latte jeweils mit sich hinabriss in die Tiefe, war nicht wirklich schlimm, weil sich schon lange keiner der Himmelsstürmer mehr an dieser Höhe versucht hatte, schon gar nicht mit realistischen Chancen. Der einzige Mensch, dem es bisher überhaupt gelang, 6,10 m und mehr zu überqueren, wohnte der großen Show des Australiers bei und war ebenso beeindruckt.
Sergej Bubka, Weltmeister, Olympiasieger und Weltrekordhalter (6,14 m) aus der Ukraine, war einer der Ersten, die Markov zu seiner Tat gratulierten. Was den neuen Weltmeister allemal ehrte, ebenso wie später die an Markov gerichteten Fragen nach einem neuen Weltrekord. „Manche Rekorde bestehen ein Jahr, manche für die Ewigkeit“, antwortete Markov darauf, und man wusste nicht so recht, wie das gemeint war. Am Ende der Stabhochsprungstange angekommen scheint der 26-Jährige jedenfalls noch nicht. „Das war ein perfekter Wettkampf“, sagte er, „aber ich werde daran arbeiten, es noch besser zu machen.“
Den deutschen Stabartisten, nicht unambitioniert angereist, blieb nur Staunen. „Es hat Spaß gemacht, ihm zuzusehen“, lobte beinahe ehrfurchtsvoll Danny Ecker. Kaum anders äußerten sich Michael Stolle und Richard Spiegelburg. Und bei so viel Bewunderung fast in Vergessenheit geraten wäre, dass Stolle und Ecker ausgezogen waren, Großes zu vollbringen. „Ich kann Gold gewinnen“, hatte Ecker noch in der Woche vor Edmonton zu Protokoll gegeben, an nicht viel anderes dürfte im Vorfeld der WM auch Michael Stolle gedacht haben, bei Olympia in Sydney immerhin Vierter, höhengleich mit dem Sieger. Als tragisch hatte der 26-Jährige aus Düsseldorf das damals empfunden, in Edmonton nun wiederholte sich das Schicksal: Wieder hatte Stolle am Ende die gleiche Höhe, nämlich 5,85 m, zu Buche stehen wie drei weitere Springer, wieder reichte es nicht zur Medaille.
Aufgrund der Fehlversuche – Stolle hatte bereits bei der Anfangshöhe von 5,50 m zweimal gepatzt – sicherten sich Aleksander Averbuch (Israel) und Nick Hysong (USA) Silber und Bronze, während für den Deutschen erneut nur Blech übrig blieb, und eine satte Portion Galgenhumor: „Immerhin habe ich seit Sydney dazugelernt und diesmal einen höhengleichen Springer hinter mir gelassen“, bemerkte Stolle leicht zynisch und meinte damit den fünftplatzierten Franzosen Romain Mesnil. Eine schlüssigere Analyse, warum es erneut bei einem großen Wettkampf nicht zur Medaille gereicht hat, hatte der Düsseldorfer hingegen nicht parat.
Ernsthafte Gedanken zu diesem Thema sollte sich auch Danny Ecker machen. Der 24 Jahre alte Leverkusener gilt als das größte Talent des deutschen Stabhochsprungs, muss so langsam aber aufpassen, dass er das nicht bleibt. Bei Großereignissen nämlich konnte der Sohn von Olympiasiegerin Heide Rosendahl in den letzten Jahren kaum überzeugen, mehr als ein dritter Platz bei der Hallen-WM vor zwei Jahren sprang bisher noch nicht heraus.
In Edmonton erlebte Ecker gar einen Absturz wie schon lange nicht mehr, weil am Ende nur zwei saubere Sprünge gewertet wurden – und schließlich Rang elf mit läppischen 5,65 m. Mit dieser Höhe hatte Ecker den Wettkampf eröffnet, danach gelang ihm nur noch ein halbwegs ordentlicher, wenngleich auch ungültiger Versuch über 5,85 m. Die beiden restlichen vergeigte der Leverkusener doch ziemlich kläglich, weil er erst gar nicht zum Springen kam, sondern jeweils unter der Latte durchlief.
Locker versagt
„Der Anlauf hat nicht gestimmt“, klagte Ecker danach, was deutlich und für jedermann sichtbar war, den Grund hierfür konnte er freilich nicht nennen. Dass seine Fußoperation vom Februar immer noch nachwirken könnte, schloss Ecker jedenfalls schon deswegen aus, weil ihm das selbst zu sehr nach Ausrede klang; dass all der Erwartungsdruck, der vor Großereignissen regelmäßig auf ihm lastet, für das regelmäßige Versagen verantwortlich ist, hält er gar schlicht für abwegig. „Ich war sehr locker vor der WM“, sagte Ecker, „vielleicht sogar zu locker.“ Was man so nun auch wieder nicht hoffen möchte, weil es normalerweise ein Zeichen für mangelnde Einstellung ist.
Solch eine kann man Richard Spiegelburg nun ganz bestimmt nicht nachsagen. 5,75 m sprang der 23-Jährige bei seiner WM-Premiere, was am Ende Rang sechs ergab. So recht zufrieden war der deutsche Meister damit aber nicht. „Das hier ist der Saisonhöhepunkt“, stellte Spiegelburg nämlich fest, „da sollte man eigentlich Bestleistung springen.“ Zu was das führen kann, hat den Deutschen der Australier Dmitri Markov eindrucksvoll vorgemacht.
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