piwik no script img

Bush für Stammzellenforschung

Entgegen seinen Versprechen im Wahlkampf will US-Präsident George Bush jetzt doch die Forschung mit embryonalen Stammzellen in begenztem Unfang mit staatlichen Mitteln fördern. Patientengruppen geht dieser Vorschlag nicht weit genug

von WOLFGANG LÖHR

US-Präsident George Bush will die Forschung mit embryonalen Stammzellen in begrenzten Umfang und unter strenger Aufsicht staatlich fördern. Diese Entscheidung gab Bush am Donnerstagabend in einer landesweit ausgestrahlten Fernsehübertragung bekannt. Die staatliche Förderung soll jedoch nur auf Vorhaben beschränkt werden, die mit bereits bestehenden embryonalen Stammzelllinien arbeiten.

„Ich habe entschieden, dass wir mit großer Sorgfalt vorgehen müssen“, sagte Bush, der im Wahlkampf noch als energischer Gegner der so genannten verbrauchenden Embryonenforschung aufgetreten war. Für die Gewinnung der von den Forschern begehrten Stammzellen müssen frühe, etwa fünf Tage alte Embryonen vernichtet werden. Nach Angaben von Bush gebe es weltweit 60 vorwiegend von Privatunternehmen hergestellte embryonale Stammzelllinien. Nur Wissenschaftler, die mit diesen etablierten Zelllinien arbeiten, sollen in den Genuss staatlicher Fördermittel kommen. Bush will so ausschließen, dass Bundesmittel für die Vernichtung von Embryonen genutzt werden. Bei diesen Zellen, so Bush, sei die „Entscheidung über Leben und Tod gefallen“.

Die Reaktionen auf Bushs Rede fielen unterschiedlich aus. Ein Forscher des renommierten Withehead-Instituts in Massachussetts, das schon bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms eine führenden Rolle spielte, erklärte, er sei erleichtert. Angesichts des Drucks konservativer Gruppen habe man nicht mehr erwarten können.

Auch der Kanzler der University of Wisconsin, John Wiley, begrüßte Bushs Entscheidung. Jetzt könne die Forschung unter kontrollierten Bedingungen weitergehen. WiCell, ein von der University of Wisconsin gegründetes Unternehmen besitzt mit der Biotechfirma Geron die meisten Patente zur Herstellung von Stammzellen. WiCell gehört derzeit zu einem der weltweit vier Anbieter von Zelllinien. Die Firma wurde extra gegründet, weil bisher mit öffentlichen Geldern finanzierte Institutionen keine Embryonenforschung durchführen durften. Viele Wissenschaftler werden künftig die Stammzellen bei WiCell kaufen müssen.

Paul Berg, Chemienobelpreisträger aus Kalifornien, bezeichnet deshalb auch die Entscheidung von Bush als „Desaster“. Damit werde sichergestellt, dass die Rechte für die vielversprechendsten Projekte in den USA „in Privathand bleiben“. Auch Patientengruppen sind enttäuscht. Sie hatten sich eine weiter gehende Regelung erhofft. Daniel Perry, ein Vertreter der Vereinigung der Altersforschung, sagte, es sei „ein Schritt in die richtige Richtung, aber es hat sich als ein zu kurzer Schritt erwiesen“.

Als „moralisch nicht akzeptabel“ bezeichnete der Präsident der US-Bischofskonferenz, Joseph Fiorenza, Bushs Entscheidung. Es sei das erste Mal in der Geschichte der USA, dass die Regierung Forschung unterstütze, die auf der Zerstörung von menschlichen Lebens zum möglichen Vorteil von anderen aufbaue, sagte er.

Begrüßt wurde Bushs Rede auch von deutschen Politikern und Forschern. Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sieht die Position der DFG bestätigt. Indem Bush die Foschung mit embryonalen Stammzellen mit öffentlichen Geldern gestatte, erkenne er deren besondere Bedeutung für die Therapieentwicklung an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen