: Schwierig bis schmierig
Aus Dotcoms wurden rasch Dotgones, doch auch im verflixten 13. Jahr der Popkomm wird sich die Branche wieder auf die Schultern klopfen. Eine kleine Gebrauchsanweisung
Potzblitz! Da haben wir nun den Salat. Die hatten wir ja schon gar nicht mehr auf der Rechnung, die ganzen Dotgones, Opfer der New Economy, Sparte Musicbiz. Musste man doch tatsächlich schmerzlich konstatieren, dass es hin und wieder auch in einer so schnelllebigen Branche wie der Tonträgerindustrie auf Inhalte ankommt.
Beziehungsweise, im Medien-Neusprech: „Content“. Letztes Jahr noch in Designer-Zwirn gewandet und mit einem edlen Visitenkärtchen ausgestattet („Junior Vice Personal Assistant Consulting Chief of all Modern Stuff“), dieses Jahr im schlecht sitzenden Anzug von Charme & Anmut unterwegs. Hauptsache unterwegs.
Denn Bange machen gilt auch im Beinkleid von der Stange nicht: jede Wette, dass auch auf der Messe 2001 diese Spezies Medienpartner rumsitzt und dir erzählen wird, dass sie im Moment an einem Wahnsinnskonzept sitzen, mit dem sich im Internet jetzt wirklich Geld verdienen lässt. Keinen Schimmer davon haben, wo der digitale Alltag denn nun genau stattfinden soll, aber erst mal weiter machen. Spätestens jetzt überfallen uns wieder unsere Vorurteile.
Vorurteile sind partiell aber immer auch Urteile. Die New Generation der Plattenfirmen-Fuzzis wird irgendwo zugange sein. Letztes Jahr haben sie ein Einser-BWL-Diplom hingelegt, dieses Jahr erzählen sie dir, dass sie mit Sick Dick & The Volkxwagens das Ding überhaupt gesignt haben und den Act demnächst mit massivem Werbedruck und einer Mörderkampagne breaken werden. Was die Jungs und das Mädel für Musik machen, sei zwar noch nicht endgültig raus – aber das sei ja auch nicht oberste Prio, you know? Selbstverständlich wissen wir.
Genauso wissen wir um die Heerscharen hipper Szenenasen, die ihre verschiedenen Ausweise – auch von bereits vergangenenVeranstaltungen – wie eine Monstranz vor sich her tragen. Popkultur als Fronleichnamsprozession. Dabei ist alles so lebendig. Und bleibt im Grunde, was es schon immer war: schwierig bis schmierig.
Daher nun eine klitzekleine Bedienungsanleitung für die Popkomm 2001. Du kannst auch „Reminder“ dazu sagen: 1. Auf keinen Fall zu früh auf die Popkomm gehen. Sonst landet man womöglich noch auf der Inter Jeans. 2. Gespräche kurz halten. „Hallo“, „Wie geht’s?“, „Jaja, scheiß Popkomm“ und „Wir telefonieren“ reicht völlig. 3. Unbedingt auf die COMET-Verleihung gehen. Im Vorfeld möglichst viele Leute fragen, ob sie auch zum COMET gehen. Und immer dran denken: Du bist wichtig. 4. So viele Panels wie möglich besuchen. Dort kriegt man wertvolle Infos („Der Industrie geht’s schlecht, weil so viel illegal kopiert wird!“) und kann faszinierende Einblicke hinter die Kulissen des aufregenden Musikbiz erhaschen. 5. Auf keinen Fall vergessen: Du bist wichtig, die Popkomm ist wichtig. Nichts wie hin. MARTIN WEBER
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