: Wordcheck
Gewesen: „Macht“-Club, Mojo. Nachdem vor zwei Stunden der heißeste August aufgebrochen ist, hatte ich gedacht, wird es so voll schon nicht sein. Irrtum. Vor dem Mojo Club stapeln sich die Fahrräder an den Schaukästen. Der „Macht“-Club hat gerade angefangen, im Raum sind 200 Leute bei gefühlten 50 Grad und rötlichem Licht. Aufgeweckte Ruhe. Tina Uebel und Sven Amtsberg führen durch den Abend, reden über Gemüse und kündigen den ersten Lesenden an, Hanno Wulf. Der Hamburger liest langsam, das hat er sich vorgenommen, von einem ebensolchen Zug und der Melancholie der Mathematik. Warum sind in Rohren Zahlen eingraviert? – Hanno Wulf hat mehrere schöne Antworten darauf.
Danach liest Martin Brinkmann aus seinem Buch Heute gehen alle spazieren: Geschichten eines jungen Mannes, der gerade mit dem Zivildienst fertig ist. Ein Held mit echtem Verlierergespür. Will er wirklich Optiker werden? Oder Zahntechniker, wie er dem schönen Mädchen erzählt, mit dem er früher zusammen war? – Da schreien die Moderatoren auch schon „Applaus!“ und kündigen die Jägermeisterschaft an, eine Art gemäßigten Poetry-Slam, der in orangenfarbenen Bademänteln – Publikumsautor gegen „Macht“-Autor – zum besagten Kräuterlikör ausgetragen wird.
Der Stargast kommt zuletzt: Sylvia Szymanski. Mit ihr laufen wir durch das Kindermädchenleben von Agnes Sobierajski. Die ist genervt von Weltkinderfesten und Luftballons, mag dagegen aber Mustafa. Szymanski rappt uns den Protestsong einer nervenaufreibenden Kinderkapalle über Umweltverschmutzung vor. Das ist lus-tig, das ist wild. Sie hat auch eine Gitarre dabei und singt zwischendurch Lieder, zum Beispiel von Glenn Danzig. Somit in der Rock-Literatur angekommen, fühlen wir uns sichtlich wohl. Die gut 80 Grad im Saal sind inzwischen – vermutlich durch Mustafa und eine handgreifliche Direktheit – in Richtung Siedepunkt geklettert, als Szy-manski noch eine Geschichte aus Kein Sex mit Mike nachlegt. Da geht es um das Allerheiligste, um Zeigespiele, die Spaß machen und sich jeck anfühlen. Wollte ich es so genau wissen? – Ja, genau so. Und als es vorbei ist, will ich, dass es weitergeht.
Anne Otto
nächster Machtclub im Mojo: 11. September (mit Karen Duve und Stefan Beuse)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
