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Was einer Prinzessin blüht

Neues aus den Königshäusern dieser Welt: Bei Norwegers wird geheiratet

BERLIN taz ■ Jahrhundertelang war das Verheiraten von Kronprinzen eine völlig einfache Sache: Unter allen in Frage kommenden Frauen durfte sich der zukünftige König diejenige aussuchen, die ihm, warum auch immer, am besten gefiel, und nach einer angemessenen Verlobungszeit wurde eines schönen Sommermorgens unter reger Anteilnahme der aufgrund des Jubeltages von der Arbeit freigestellten Bevölkerung „Ja“ gesagt.

Die Zeiten sind vorbei. Kronprinzen unter die Haube zu bringen ist fast noch schwieriger als von der Berliner Landesbank einen fünfstelligen Gründerkredit für ein Start-up-Unternehmen zu bekommen. Denn jede Frau, die alt genug ist, Schlagzeilen zu entziffern, weiß, was ihr dann blüht. Zum Beispiel die eingeschränkte freie Kleiderwahl. In durchschnittlichen Monarchien werden ausschließlich die Produkte heimischer Designer getragen und damit basta. Egal wie scheußlich und untragbar sie sind. Hinzu kommt das andauernde Contenance-Bewahren. Jede Zuwiderhandlung landet sofort auf der ersten Seite aller Zeitungen. Als ob dieses ewige Kinderkriegen, die beständige Lächelarbeit, das ewige Streicheln minderjähriger Untertanen, das pausenlose Anhören von Laiendarbietungen und das strikte Alkoholverbot im Job nicht schon schlimm genug wären.

Solch ungünstige Bedingungen sprechen sich schnell herum, und daher müssen Thronfolger mittlerweile nehmen, was sie kriegen können. Ob Rothaarige, Kindergärtnerinnen, Bankangestellte oder Faschistentöchter – alles, was auch nur ansatzweise zum Jawort bereit zu sein scheint, wird derzeit vom Fleck weg weggeheiratet.

Der norwegische Kronprinz Håkon macht da keine Ausnahme. Nach langem Suchen fand sich für ihn einzig eine bürgerliche allein erziehende Mutter mit dunkler Vergangenheit. Doch was bewog Mette-Marit Tjessem-Hoeiby, die in den Presseberichten durchweg als intelligente Frau geschildert wird, dazu, kommende Woche den nächsten norwegischen König zu ehelichen? War es die Hoffnung auf Hafterleichterung für den aufgrund von Drogendelikten im Staatsgefängnis einsitzenden Vater ihres Kindes? Steht sie zufällig auf die Produkte norwegischer Modedesigner?

Man weiß es nicht. Vielleicht verliebte sie sich einst tatsächlich in den mittlerweile deutlich über 20 Jahre alten Håkon. Vielleicht hat er ihr auch vorgetäuscht, von dem ihm zugedachten Job zurückzutreten, wenn sie nur endlich in die Ehe einwilligte – Kronprinzen sind in der Wahl ihrer Mittel oft skrupellos. So gab Frau Tjessem-Hoeiby im vergangenen Jahr Håkons Drängen schließlich nach. Was die künftige Königin anscheinend nun heftig bereut: „Die meisten Leute denken: Reichtum gibt dir Freiheit. Für mich ist das nicht so. Ich habe heute weniger Freiheit als früher“, erklärte sie in der aktuellen Ausgabe der Bunten. Selbst ihre freie Zeit würde vom Palast aus eingeteilt, klagte sie, die sich plötzlich bewusst wurde, dass ihr künftiges Leben vom Nachfolgergebären, Kinderstreicheln und Norwegermodetragen bestimmt werden wird.

Eine klitzekleine Chance hat Frau Tjessem-Hoeiby jedoch noch, ihrem zweifellos furchtbaren Schicksal zu entgehen: Der Wagen, in dem sie und ihr Håkon am 25. August zur Kirche gefahren werden, ein Lincoln aus den Sechzigerjahren, ist zwar weiß, aber ansonsten baugleich mit dem Modell, in dem einst John F. Kennedy erschossen wurde.

ELKE WITTICH

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