Garstige Geschenke für Paula?

■ Morgen meinen Paula-Puristen Trauer tragen zu müssen. Denn dann zeigt das Modersohn-Becker-Museum zeitgenössische Verarbeitungen der Jubilarin – die so spektakulär allerdings gar nicht sind

Der Sonntag teilt die Paula-Becker-Modersohn-Verehrerschar in zwei Lager: In die, die ihr Museum schlagartig meiden wollen, und die anderen, die gerade ab morgen pilgern – um die aktuellen Paula-Adaptionen zu schauen.

Zwischen den 96 Werken der PBM-Geburtstagsretrospektive (seit dem 21. Juli in der Böttcherstraße, vergleiche taz vom 24. Juli) hängen dann die Arbeiten von vier lebendigen KünstlerInnen – ein Skandal, meinen manche altgedienten Verehrer im Vorfeld, die sich insbesondere über eine computerbearbeitete Fotografie von Christine Prinz auf dem Ausstellungs-Flyer erregen.

Die Künstlerin hat sich der paulinischen Körperlichkeit gewidmet und den berühmten Selbstakt „Am 6. Hochzeitstag“ bearbeitet: Nackt vor dem Spiegel stehend, mit den PBM-Insignien Halskette, Brustblume und Blumenkranz angetan, drückte sie auf den Auslöser ihrer kleinen Automatikkamera – Happy Birthday.

Marikke Heinz-Hoek hat sich „ihre Paula“ mit der Videokamera eingefangen: Auf einer barockisierenden Konsole steht ein kleiner Monitor mit novalis-blumen-blauer Passepartout-Folie – darin flimmert, wackelt, verschwimmt und schärft sich das Gesicht der Künsterlin, schwankend zwischen Nähe und Entrücktheit. „Wiederbelebtes Porträt“ nennt Marikke Heinz-Hoek ihre Arbeit. Die Sprünge mit Medien und Zeitzitaten seien für sie der einzige mögliche Zugang zur Worpswederin, die sie ansonsten „nur als Kunstgeschichte“ begreifen könne.

Für Isolde Loock hingegen ist Paula eine Goldgrube. Sieben Kunstdruck-Postkarten aus dem Museums-Shop hat sie mit „Paula ist Gold wert“ überschrieben, fein säuberlich neben einander gehängt, und ... damit den Zusammenhang zwischen Kunst und Kommerz (das Konzept der Böttcherstraße à la Roselius) thematisiert?

Vielleicht, aber um die Erstellung gesicherter Analysen zu motivieren reicht der von der Loock'schen Paula-Bearbeitung ausgehende Reiz in diesem Fall nicht aus.

Der in Wuppertal lebende Niederländer Rob de Vry schließlich hat 13 „Farbräume“ geschaffen: In identischer Größe versucht er Becker-Modersohns Bilder nachzuempfinden und beschränkt sich dabei auschließlich auf Farbflächen. Ein interessantes Wahrnehmungsexperiment also, könnte man sagen, und wünscht sich mehr direkte Gegenüberstellungen von Originalen und Transkriptionen – um de Vrys Idee sinnlich begreifen und nicht nur als akademisch begreifen zu können. Überhaupt hatte die Ausstellungs-Ankündigung eine stärkere Durchsetzung der PBM-Werke mit modernen „Eindringlingen“ erwarten lassen.

Im Lager der Paula-Puristen haben sich mit heutigem Stichtag 3.000 BesucherInnen eingefunden. Aber, wie die Real-Inkarnation der zeitgenössischen Bearbeitungen zeigt, auch das „moderne Lager“ wird mit konservativem Zulauf rechnen können. Henning Bleyl

Bis zum 7. Oktober. Öffnungszeiten des Museums in der Böttcherstraße: Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Morgen um 11.30 Uhr gibt es eine öffentliche Diskussion zur Frage „Paula Modersohn-Becker heute?“