: Was darf in die Tüte?
Was in die „ökologische Schultüte“ darf, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Vor allem Stifte sind bedenklich. Alternativen sind rar und kosten zum Teil das zehnfache herkömmlicher Produkte
von PETER HERMANNS
Mit der Füllung einer Schultüte können Eltern einen Beitrag zur Umwelterziehung leisten, mahnen Pädagogen alljährlich. Doch die Vielfalt an Produkten, die mit Bildern und Symbolen ökologische Unbedenklichkeit suggerieren, schafft Verwirrung.
Deshalb starteten das Umweltbundesamt, der BUND und die Karstadt-Gruppe zu Beginn des vergangenen Schuljahres ihre Kampagne „Die ökologische Schultüte“. Alle Grundschulen erhielten umfangreiches Informationsmaterial und Karstadt warb auf großen Tafeln für sein Sortiment ökologisch verträglicher Schulmaterialien.
Wer sich jedoch in diesem Jahr dort umsieht, findet keinen Hinweis mehr auf die seinerzeit angepriesenen Artikel. Auch die Verkäuferinnen zeigten sich bei einem Testbesuch bei Karstadt am Hermannplatz wenig informiert.
„Aber“, so versichert der Leiter der Umweltschutzabteilung der Karstadt AG, Mitschke, „alle Produkte aus dieser Aktion sind weiterhin im Programm.“
Doch bleibt es nun wieder den Eltern überlassen, sich einen Weg aus dem vermeintlich ökologischen Produktlabyrinth zu bahnen. Das ist bei Linealen oder Anspitzern kein Problem. Richtig schwierig wird es jedoch bei der Suche nach geeigneten Stiften. Bei Filzstiften lässt sich zum Beispiel gar nicht erkennen, ob sie mit Schadstoffen belastet sind. In der Regel tragen zwar alle Produkte das CE-Zeichen. Das besagt aber lediglich, dass die Stifte den laschen Anforderungen der europäischen Spielzeugrichtlinie EN-71 entsprechen.
Hilfe bei der Suche nach geeigneten Stiften bietet die Zeitschrift Ökotest, die im Mai-Heft immerhin 14 von 22 Produkten als „unbedenklich“ bewertete.
Viele Schulen arbeiten jedoch seit langem mit Wasserfarben und Wachsmalkreiden, die gemeinhin als harmlos gelten. Dass manche Wachsmalstifte hochgiftige Stoffe wie krebserregende aromatische Amine oder gar Dioxine enthalten, ist allerdings den wenigsten bekannt.
Obendrein sind viele Stifte aus künstlichen Wachsen wie Paraffinen hergestellt, die sich im Körper anreichern, wenn der Stift in den Mund genommen wird. Alternativen sind rar: Der Öko-Hersteller Livos, vor Jahren einer der wenigen Hersteller von rein pflanzlichen Wachsmalstiften, hat sein Produkt inzwischen aus dem Sortiment herausgenommen.
Die anthroposophisch orientierte Firma Stockmar liefert zwar auf Anfrage paraffinfreie Wachsmalblöcke, die aber etwa zehnmal mehr kosten wie die herkömmlichen. Dazu Geschäftsführer Stockmar: „Pflanzliche Rohstoffe sind viel teurer und die Nachfrage nach paraffinfreien Stiften ist einfach nicht da.“ Umstritten sei darüber hinaus, inwieweit Paraffine tatsächlich bedenklich seien.
Unbedenklich war jedenfalls der Inhalt jener Schultüte, wie sie im 19. Jahrhundert in Bayern eingeführt wurde. Hierin befand sich ausschließlich getrocknetes Obst, um den Kleinen den ersten Schultag zu versüßen. Auch heute noch sind Süßigkeiten für die Kids die eigentlichen Highlights in der Schultüte. Getrocknetes Obst ist zwar weniger angesagt, aber Müsli-Riegel, zuckerfreie Bonbons und Lollis aus Maisstärke bieten eine gesunde Alternative zu Kalorienbomben, zu denen auch die fälschlicherweise als „gesund“ angepriesenen Milchprodukte für Kinder gehören. Diese, so die „Stiftung Warentest“, zeichnen sich in der Regel durch einen hohen Fett- und einen geringen Kalziumgehalt aus.
Wegweiser durch das Labyrinth ökologischer Unbedenklichkeiten: Filzstifte wurden von „Ökotest“ im Heft 5/2001 unter die Lupe genommen, Wachsmalkreiden im Heft 2/1998. Ein neuer Test wird voraussichtlich im Oktober veröffentlicht (Heft 11/2000).
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