: „Amerika ist, wo alles besser ist“
Slam-Literaten und touristische Klischees: Die Anthologie „Rude Trip. Chicago/Hamburg“ ■ Von Gesine Kulcke
Aus den Textsammlern, die unter anderem 1997 im Fools Garden „Hamburg is Slamburg“ riefen, sind Buchautoren geworden. Ihr Problem: Wenn sie auch gerade nicht slammen, so lassen sie ihre Gedanken doch gerne scheinbar unkontrolliert und unbewusst treiben, die eigenen inneren Monologe fließen; vielleicht deshalb erinnert Rude Trip. Chicago/Hamburg, soeben in der Edition 406 erschienen, an eine literarische Performance für ein lebendiges Publikum, mehr jedenfalls als an Lyrik, die auch in des Lesers stillem Kämmerchen weiterlebt. Es sind Tagebucheintragungen, die hier die Seiten füllen, Ergebnis einer dreieinhalbwöchigen literarischen Expedition von sieben hamburgischen und zwei amerikanischen Autoren durch Chicago, des Mittelwestens endlose Maisfelder und St. Louis.
Dabei hat alles so spannend begonnen. Der inzwischen vier Jahre zurückliegende Trip der sieben Autoren, die in den engeren Kreis von Macht e.V. gehören, kam 1996 in Hamburg zustande, nach einer zufälligen Begegnung mit Kurt Heintz, Schriftsteller, Medienkünstler und Lehrer, und Rob Wittig, Autor, Designer und Publishing Consultant, beide aus Hamburgs Partnerstadt Chicago. Im Sommer 1997 versammelte sich daraufhin im maisbedeckten mittleren Wes-ten der USA ein perspektivisch interessanter Autoren-Mix, unter anderem Dierk Hagedorn, der schon öfter in New York war, Boris Preckwitz, der meint „Amerika ist da, wo alles besser ist“ und Tina Uebel, die weiß, dass „Amerika ist, wenn man durch die Gegend fährt und mit abgesägten Schrotflinten Liquor stores überfällt“.
Doch schaffen es die Autoren nicht, Ungewöhnliches, bisher nicht Gehörtes über Amerika in ihrem Buch zu transportieren. Das auch nach einer dreijährigen Bearbeitung im Internet nach frischen, unbearbeiteten Tonbandaufzeichnungen klingende Material verliert nicht nur formal nach den ersten Seiten seinen Reiz, sondern auch inhaltlich: Bestätigt werden Klischees und banale, überall schon gelesene Beschreibungen nach dem Motto: Illinois ist flach wie Schleswig-Holstein und gigantisch groß.
Tina Uebel lässt es sich nicht nehmen, die Standpunkte der Expeditionsteilnehmer auf Folgendes zu reduzieren: „Ich weiß nicht, was die anderen noch so wissen, aber ich weiß, dass sie Amerika kennen, egal ob sie schon hier waren oder nicht, denn wir sind ja irgendwie damit groß geworden, mit Amerika, und ein ganzer Batzen unserer Träume ist made in the USA, oder?“ Ein bisschen David Lynch, ein bisschen Tarantino, die Wüste, Motels und Serienmörder prägen das Bild der Autoren, entsprechend wenig entdecken sie auf ihrem Trip.
Nur selten wird die ichbezogene Perspektive, die gerne mal mit „Mein Verstand meldet“ oder „Ich bin seltsam gebannt von dieser Szene“ eingeleitet wird, verlassen – wie in den Texten „Mein Koffer ist meine Heimat“ und „Red Trip“ von Dierk Hagedorn sowie „Me Disguised as Cunanan“ von Tina Uebel. Ob das Buch sich dann doch wenigstens als Vor-Lesebuch eignet, wird sich heute Abend herausstellen, wenn die Autoren zur Vorstellung im Mojo Club zu Gast sind. Ein weiteres „Rude Reading from Chicago“ präsentieren die beiden amerikanischen Beteiligten Kurt Heintz und Rob Wittig am kommmenden Wochenende.
Präsentation: heute, 20 Uhr, Mojo Club; Lesung Heintz/Wittig: Sa, 25.8., 20 Uhr, Gloria (Bellealliancestr. 31/Lindenallee); Rude Trip, Hamburg: Edition 406, 2001, dt/engl., ca. 380 S., 36 Mark
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