: Was hat das mit Musik zu tun? Und mit uns?
■ Ist die Popkomm wie Weihnachten – nur noch harmonischer? Die Reporter Blohm und Voss waren sich in Köln nicht ganz einig. Aber sie fanden Bremer am Rhein
Voss (gereizt): Sie erzählen mir jedes Jahr mit einem kaum zu übersehenden Ausdruck der Verachtung um den Mund, dass es auf der Popkomm doch eigentlich nur darum gehe, sich möglichst billig zu betrinken und den Eindruck zu vermeiden, man gehöre zu den anderen Wichtigtuern mit Handys. Und jetzt soll ich Ihnen ausgerechnet am Handy sagen, ob am Stand irgendeines Musikmagazins wirklich ein gewisser Blumfeld gesichtet wurde ... Na, dann eben Distelmann ... Was für ein Autogramm? Moment, ich habe kein Netz ...
Blohm: Verflixt, dieser Voss wird noch verhindern, dass wir ein Autogramm von der echten Prominenz bekommen ... Ich werde ihn am Jägermeister-Stand suchen.
(Dort probiert sich Voss durch die Palette der angebotenen Mischungen)
Voss: (zieht Blohm vertraulich heran) Sie müssen mir helfen, diese Gläser nach draußen zu bringen. Wer ist eigentlich dieser Distelmann, von dem Sie sprachen? Auch ein Bremer?
Blohm: Nein, er kommt aus Bielefeld, wohnt aber nicht mehr dort. Außerdem heißt er Distelmeyer. Er steht für die vielen, die aus der Provinz in die Metropolen gingen.
Voss: Nur aus Bremen ist niemand dabei.
Blohm: Sie irren. Schon mal vom Elektrochemie LK gehört? Nominiert für den Viva Comet Award. Gewonnen hat er nicht, aber immerhin soll er groß in Japan sein. Und FlowinImmo wurde ebenfalls an exponierter Stelle gesichtet – ein Bremer.
Voss: Wir sind schließlich auch aus Bremen.
Blohm: Vielleicht sollten wir uns selbst Autogramme geben.
Voss: Selbstfeier scheint hier ohnehin Primärtugend zu sein.
Blohm: Sogar Dieter Gorny lässt sich durch nichts davon abhalten, die Messe zu einem Erfolg zu reden. Dabei ist deutlich weniger los, als im letzten Jahr. Seltsam ...
Voss: Stimmt. Obwohl in den letzten Wochen jeder Dritte gesagt hat, dieses Jahr sei er bestimmt nicht dabei, sind sie doch alle da.
Blohm: Das ist wie Weihnachten, wenn alle Welt alle Jahre wieder steif und fest behauptet, man werde sich dieses Jahr nichts schenken.
Voss: In Familien führt das fast zwangsläufig zu den schönsten Scherereien.
Blohm: Möglicherweise die zentrale Erkenntnis aus der Popkomm: Die virtuelle Familie, die sich jährlich hier trifft und in willenlos-williger Ignoranz über alle tatsächlichen Konkurrenzverhältnisse hinweg spätestens zwischen Mitternacht und Morgengrauen auf der Zülpicher Straße ins Nirvana trinkt, ficht ihre Konflikte gerade nicht an den höchsten Feiertagen aus, wie es die reale Familie regelmäßig tut.
Voss: Ähm ja, aber was hat das mit Musik zu tun?
Blohm: Was hat die Messe mit Musik zu tun?
Voss: Dieter Gorny hat gesagt ...
Blohm: Was hat der mit Musik zu tun?
Voss: Sie kommen doch auch jedes Jahr wieder.
Blohm: Um mit Ihnen mal ganz ungestört Spaß zu haben. Mein Genörgel ist sowohl außer sich selbst völlig wirkungslos wie ein Teil meines Spaßes.
Voss: Womit Sie zu einer alles andere als kleinen Minderheit gehören, die einer unwesentlich größeren Mehrheit gegenüber steht, die sich allein dadurch unterscheidet, dass sie sich vorbehaltlos amüsiert oder in besinnungsloser Geschäftigkeit zwischen Meeting und Besprechung ergeht, was auch nur das Besondere im Allgemeinen ist.
Blohm: Sie hören sich ja schon so an wie ich ...
Voss: Ihr Schlussmonolog vom letzten Jahr, bevor er in ein nassforsches „Voss, wir wollen uns nun amüsieren!“ mündete ...
Blohm: Nächstes Mal bleibe ich jedenfalls zu Hause!
Voss: Ich werde uns schon mal einen Messestand reservieren ...
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