: Östliche Schule
■ Guter HipHop: „Unspoken Heard“, J-Live und Edo.G im Mojo
Roxbury, Massachusetts. Washington, DC. East Harlem, New York. Wenn eine HipHop-Tour „Eastern Philosophy“ im Titel trägt, mag das mit Asien-Bezugnahmen zu tun haben, wie sie spätestens der Wu-Tang Clan populär gemacht hat. Aber es wird auch um die US-Ostküste gehen: als Kristallisationspunkt und Ort für eine bestimmte Genre-Ausprägung. Dass diese Küste – ja sämtlicher US-HipHop überhaupt – zuweilen mit New York gleichgesetzt bzw. verwechselt wird, darüber haben die weniger eitlen auch unter den New Yorker Rappern die eine oder andere Fanzine-Interview-Seite vollgetextet.
Die Teilnehmer der besagten Tour jedenfalls, die aus den eingangs erwähnten Orten stammen, werkeln – teils bereits seit den frühen 90er Jahren – an cleveren Hip-Hop-Schreibweisen, die mit Gangstereien wenig, mit Wissensvermittlung einiges zu tun haben; J-Live und Unspoken Heard gehören – bislang ohne Resonanz im Nicht-HipHop-Mainstream – zum Bes-ten, was das Genre derzeit hervorbringt, geht es um Sampleauswahl und Geschichtspflege, inhaltliche Besonnenheit und markant-charismatisches Rhyming von hoher Güte.
1991 verkauften Edo.G und Da Bulldogs ihr Debütalbum Life of a Kid in the Ghetto knapp eine halbe Million Mal und führten mit diversen Singles die einschlägigen Play- und Verkaufslisten an. Dem – manche sagen – Klassiker folgte drei Jahre später, während derer der Rapper renommierte Musikpreise einheimste, ein zweites Album, erst vor kurzem entstand The Truth Hurts unter der Beteiligung solider Mitarbeiter wie DJ Premier oder Guru, ansonsten ja mit der In-Grund-und-Boden-Etablierung von Jazz-HipHop beschäftigt. Apropos: Wie derzeit wenige andere im Geschäft widmet sich J-Live-Produzent und Unspoken Heard-Kumpel J. Rawls Jazz- und Soulfundstücken vor gekonntem Hip-Hop-Hintergrund. Live und Rawls harmonieren aufs Vortrefflichste, was in verschiedenen Kooperationen seit 1995 zu hören ist. Zeitanfälliges wie Acid-Jazz oder sonstige bemühte Hybriden sind dabei übrigens nie herausgekommen.
Unspoken Heard schließlich könnten es noch ganz weit bringen, in einer Zeit, da die Native Tongue-Tradition des HipHop über Akteure wie Mos Def und Talib Kweli sich wieder stärker in Erinnerung ruft – insbesondere übrigens an der Ostküste. In den frühen 90ern als regelmäßiges Jam an einer Straßenecke begonnen, ist die Rap-Paarung Asheru und Blue Plack heute zuverlässig und aufeinander eingestimmt wie nur was. Da stehen Asherus Erfahrungen in Poetry Slams und dem amerikanischen Schulbetrieb – er ist Lehrer – nicht irgendeiner Staßenglaubwürdigkeit entgegen, und „Akademiker!“ traute sich niemand ernsthaft einzuwenden. Ist das nun Studentenrap, wie er vielerorts so wohlfeil zum Feindbild erhoben wird? Einfach sehr gut, das ist er, der Rap heute Abend. Alexander Diehl
heute, 21 Uhr, Mojo Club
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