: Die Zinsfrage
Gestern wurde die siebte US-Zinssenkung des Jahres erwartet. In Euroland fragt man sich: Wann sind wir dran?
BERLIN taz ■ Die Lockerung des europäischen Stabilitätspakts verringert womöglich die Wahrscheinlichkeit, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen bald senkt. Wilhelm Hankel, Wirtschaftsprofessor an der Universität Frankfurt, sagte der taz: „Bis gestern gingen wir ja noch von einem intakten Stabilitätspakt aus. Nun ist eine Zinssenkung äußerst fraglich.“ In dem Pakt hatten sich die 12 Euro-Länder selbst verpflichtet, die Neuverschuldung ihrer Haushalte jährlich zu senken. Der Beschluss der europäischen Finanzminister, dieses Ziel künftig weniger rigoros zu verfolgen, bedeute eine „neue Quelle für Euroschwäche und Inflation“, so Hankel: „Man hätte diesen Stabilitätspakt nicht schließen dürfen. Aber ihn jetzt zu brechen stärkt nicht gerade das Vertrauen in den Euro.“
Thomas Mayer vom Investmenthaus Goldman Sachs hingegen findet nicht, dass die Diskussion um Neuverschuldung und Euro-Kriterien ein Hindernis für die EZB sein sollte. Wahrscheinlicher sei es, dass die für gestern spätabends erwartete erneute Zinssenkung der amerikanischen Zentralbank Fed die Europäer unter Druck setzen werde, sagte Mayer dem Handelsblatt. Weiter sinkende Zinsen in den USA zeigten nämlich, dass es der US-Wirtschaft immer noch nicht besser gehe – und der Weltwirtschaft auch nicht. Mayer erwartet daher, dass die EZB den Euro-Leitzins bis Ende September um ein Viertelprozent senkt.
Das jüngste US-Konjunkturbarometer deutet allerdings auf Erholung. So stieg der Monats-Index der zehn wichtigsten Wirtschaftsdaten zum vierten Mal in Folge, was seit Herbst 1999 nicht mehr vorgekommen war. Zu der Erholung haben nach Einschätzung eines Forschungsinstituts die Zinssenkungen der vergangenen Monate sowie die per Scheck verschickten Steuerrückzahlungen beigetragen.
Wenn die Fed die Zinsen gestern nach Redaktionsschluss wie erwartet gesenkt hat, ist dies bereits der siebte Schritt in diesem Jahr. Der amerikanische Leitzins lag Anfang des Jahres noch bei sechs Prozent, vor dem gestrigen Entschluss bei 3,75 Prozent. In Euroland ist der Leitzins mit 4,5 Prozent festgesetzt, er sank seit Jahresanfang lediglich um 0,25 Prozent. KATHARINA KOUFEN
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