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juttas neue weltDie alles mit links machen

Wer als Rechtshänderin bei einem Linkshänder zu Besuch ist, hat den Eindruck, in einer verkehrten Welt aufgeschlagen zu sein. Und fühlt sich wie in einem Jogurt – alles dreht sich hier linksrum. Mein freundlicher Gastgeber Tom verhilft mir regelmäßig zu diesem Gefühl – in seiner Wohnung ist nichts an seinem rechten Platz. Was mir besonders in den Räumen mit Praxisbezug zu schaffen macht: In der Küche zeigt der Kaffeekannenhenkel immer nach links, im Bad hängt das Klopapierende hinten runter, und der Zahnbürstenbecher steht so weit links auf dem Waschbeckenbord, dass meine rechte Hand in unausgeschlafenem Zustand die restliche Kosmetik schon mal runterfegt. So kommt es, dass ich nach ein paar Tagen anfange, das, was Tom in mühevoller Kleinarbeit links angeordnet hat, heimlich rechts hinzustellen. Was er allerdings genauso heimlich wieder auf seine Lieblingsseite schiebt.

Außerdem hat Tom eine Linkshänderschere und einen knarzenden Linkshänderfüller. Mittlerweile kann ich nicht nur meinen Namen in Druckbuchstaben mit links schreiben, sondern sogar linkshändig surfen. Denn das Einzige, was ich bei Tom nicht von links nach rechts rutschen kann, ist seine Computermaus, weil sein Schreibtisch dort von einem Bücher- und Schokoladenpapierberg besetzt ist. Also muss ich mit dem schwachen Zeigefinger klicken und browsen.

So gelinkshandikapt, landete ich auf www.linkshaenderseite.de. Wie alle Rand- und Selbsthilfegruppen haben sich auch die Linkshändigen im Internet gebündelt. Ich bin ja auch irgendwie betroffen und gestattete mir, die Seite mit Infos zum „interessanten Phänomen der Seitigkeit des Menschen“ zu besuchen: für Rechtshänder frustrierend. Denn Linkshänder scheinen einfach die tolleren Menschen zu sein. Sie sind öfter hochbegabt und musikalisch und können besser Spiegelschrift lesen als Rechtshänder. Außerdem sind Blonde doppelt so häufig Linkshänder wie Dunkelhaarige.

Bis dahin ist Tom der Prototyp des Linkshänders, doch dann sprengt er die Statistik: Er hat nicht – wie angeblich die meisten Linksseitigen – in den Monaten März bis Juli Geburtstag, kann sehr wohl seine Zunge längs nach oben rollen und hat auch nicht vor, Selbstmord zu begehen – was mehr Links- als Rechtshänder tun. Wahrscheinlich synonymisiert deshalb mein Thesaurus den Linkshänder mit „Pechvogel“.

In guter Gesellschaft ist Tom aber allemal – denn auch Einstein, Kafka und Beethoven waren linksrum. Bruce Willis und Demi Moore sind es noch. Und Bill Gates. Der weiß aber bestimmt schon, dass man sich auf der Linkshänderpage Linke-Händchen-Cursor runterladen kann und dass es ein linkes Smiley (-; gibt. Oder dass sich die Maustasten auf Linkshändigkeit einstellen lassen. Sehr empfehlenswert erscheinen mir zudem der Online-Häkelkurs für Linkshänder sowie die Linkliste der „Linkshandartikelanbieter“. Allerdings habe ich dort kein Linkshänderbügelbrett entdeckt. Das hat nur Tom. Dachte ich zumindest zu Beginn meines Besuchs und bügelte jeden Morgen mein T-Shirt mit links. Bis mir Tom demonstrierte, dass ich mich bloß auf die andere Seite des Brettes stellen müsse. Dann sei auch das Bügeleisenabstellgestell rechts. Dass Rechtshänder so viel doofer sind als Linkshänder, stand übrigens so deutlich nicht auf der Website. JUTTA HEESS

pechlucky@gmx.de

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