: Ausgesetztes Hungern
In der JVA Tegel wurde vorläufig der Hunger- und Durststreik unterbrochen. Die Anstaltsleitung reagiert mit Beschlagnahmungen und Schikanen statt Veränderungen
In der Justizvollzugsanstalt Tegel haben gestern bis auf einen Häftling die letzten Gefangenen ihren Hungerstreik ausgesetzt. Am Mittwoch hatten sie Gespräche mit den PDS-Abgeordneten Minka Dott und Michael Nelken in den Teilanstalten I und II geführt. Weil die Abgeordneten versprachen, die Anliegen der Gefangenen am 6. September im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses auf die Tagesordnung zu setzen, einigten sich die Streikenden auf eine vorläufige Unterbrechung ihrer Aktionen. Zuletzt hatten neun Inhaftierte in Haus II auch die Flüssigkeitsaufnahme verweigert.
Auch in Haus III fand noch einmal ein Gespräch mit der Vertreterin der Anstaltsleitung, einem Vertreter des so genannten Vollzugsmanagements sowie dem Teilanstaltsleiter statt. Nach Auskunft des Gruppensprechers der Inhaftierten, Wieland Herrmann, der Anfang August mit rund 50 Insassen den Hungerstreik begann, verlief das Gespräch ergebnislos. Seitens der Anstaltsleitung hieß es, es werde weiter geprüft, aber was den „Langen Riegel“ – die bis zu fast 20 Stunden Einschlusszeit an den Donnerstagen – beträfe, gebe es noch Differenzen. Auch gestern gab es daher keine Lockerung der Regelung.
Vor allem setzten sich nach Auskunft Herrmanns die Schikanen der Vollzugsbeamten fort. Die Gefangenen würden als „Aufwiegler“ bezeichnet und teilweise nicht ihren Arbeitsplätzen zugeführt. Gestern wurden darüber hinaus beim Insassenvertreter und Ausländersprecher des Hauses III zwanzig Schreiben anderer Häftlinge beschlagnahmt, mit denen sie ihre vorzeitige Haftentlassung beantragen wollten. Die Anstaltsleitung sprach von „ungenehmigter Rechtsberatung“.
Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) spricht unterdessen von Beschwerden, die ernst genommen werden, und von Verbesserungen, die zugesagt sind. Die Gefangenen halten dies für eine „reine Verarschung“. Falls sich nach der Sitzung des Rechtsausschusses keine Vollzugsreform abzeichne, wollen sie erneut streiken. PETRA WELZEL
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