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Aufarbeitung via Internet

Vor 33 Jahren bereitete eine Invasion der Truppen des Warschauer Pakts dem „Prager Frühling“ ein abruptes Ende. Jetzt ist das Protokoll der entscheidenden Sitzung in Moskau veröffentlicht. Doch der Widerhall in Tschechien ist eher gering

aus Prag ULRIKE BRAUN

Leonid Breschnew gab sich überzeugt: „Auch wenn wir alles Für und Wider abwägen, haben wir die Entscheidung getroffen, dass wir den gesunden Kräften in der Tschechoslowakei zu Hilfe kommen müssen.“ Mit diesen Worten besiegelte der damalige Generalsekretär der KPdSU am 18. August 1968 das Schicksal der ČSSR. Die brüderliche Hilfe des Warschauer Pakts kam prompt: In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten 100.000 Soldaten mit 2.300 Panzern, unterstützt von 700 Flugzeugen, in die Tschechoslowakei ein. Sie bereiteten dem „Prager Frühling“ ein brutales Ende und legten die Eisdecke der „Normalisierung“ über das Land, die erst 20 Jahre später aufgebrochen werden sollte.

Eine weitere Dekade und eine technologische Revolution später können die Tschechen nun im Internet lesen, wie der Einmarsch in ihr Land von ihren so genannten Verbündeten ausgeheckt wurde. Das Protokoll der schicksalsträchtigen Moskauer Sitzung vom 18. August 1968 wurde, pünktlich zum 33. Jahrestag des Einmarsches, veröffentlicht. Die Details, die Breschnew, Ulbricht, Schiwkow, Gomulka und Kadar damals verhandelten, machte das tschechische Amt zur Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus öffentlich zugänglich. Ein weiterer Versuch der oft als zu untätig geschmähten Vergangenheitsbewältigungs-Behörde, Licht ins Dunkel der tschechoslowakischen Nachkriegsgeschichte zu bringen.

Das Dokument beweist, was Historiker schon immer gesagt haben: Die konservativen Kommunisten des Warschauer Pakts wollten verhindern, dass die KP der Tschechoslowakei auf ihrem für September 1968 geplanten Kongress weitere Reformkräfte in die Parteispitze berief. In einem Brief an den „Lieben Leonid Illich“, von Breschnew auf besagter Sitzung verlesen, hatten die parteiinternen Gegner von Dubčeks Reformen, allen voran der Slowake Vasil Bilak, die Genossen um Hilfe gebeten. „Unser im Grunde genommen gesunder demokratischer Prozess wird dem Zentralkomitee [der tschechoslowakischen KP, Anm. d. Red.] aus den Händen gerissen“, schrieben sie. „Die Existenz des Sozialismus in unserem Lande ist in Gefahr.“

Der Appell weckte nicht nur Breschnews Helfersyndrom. „Genosse Ulbricht, stimmen Sie der Bereitstellung militärischer Hilfe zu?“, fragte der große Bruder aus Moskau. „Ich stimme zu“, lautete die kurze Antwort.

Die Veröffentlichung des Dokuments kommt inmitten einer Diskussion, ob Dubček im Voraus von der drohenden Invasion gewusst hat oder nicht. Ein Team von Historikern an der tschechischen Akademie der Wisenschaften hat eine Studie erstellt, in der sie dem Reformkommunisten genau das unterstellt. Die Diskussion um 1968 und die Veröffentlichung des Protokolls der Moskauer Sitzung finden im heutigen Tschechien kaum Widerhall. Das Interesse der Bevölkerung ist gering. Sie neigt eher dazu, den Reformern der 60er-Jahre ihre Bemühungen übel zu nehmen. Denn, so die durchaus pragmatische Logik der tschechischen Volksseele, ohne Reformen kein Einmarsch, ohne Einmarsch keine Normalisierung.

So beschränkten sich auch die Gedenkveranstaltungen zum 33. Jahrestag auf ein paar Reden und obligatorische Kranzniederlegungen in Prag und Brünn. Im slowakischen Bratislava versammelte sich eine kleine Gruppe am Grab Dubčeks. Sein ehemaliger Widersacher Vasil Bilak lebt heute in einer Villa im Bratislaver Nobelviertel. Der alte Mann, der in Tschechien des Hochverrats angeklagt ist, scheint zufrieden: „Ich glaube nicht, jemals in meinem Leben etwas falsch gemacht zu haben“, sagte er kürzlich.

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