: New York Times
Das Freedom Forum, ein Verein unter dem Dach des mächtigen Zeitungs- und Zeitschriftenverlags Gannett (USA Today) hat im Frühjahr zusammen mit dem Kabelkanal History Channel (der den Medienkonzernen Hearst, ABC und NBC gehört) eine Fernsehdokumentation über die New York Times und ihre Publizistik zum Holocaust erstellt. Sie ist auch in den Räumen des Forums in New York und Washington im Rahmen einer Ausstellung zu sehen (www.newseum.org/cybernewseum/index.htm).
Allerdings mochte niemand von der New York Times mit den TV-Leuten oder den Ausstellungsmachern reden – der 1999 geschasste Chefredakteur A. M. Rosenthal ausgenommen.
Zwischen 1939 und 1945 hat die New York Times den Holocaust zwar 1.147-mal erwähnt, meist aber nur in wenigen Zeilen oder in Kurzmeldungen im Innenteil, zählte die Journalistikprofessorin Laurel Leff, die an einem Buch zu dem Thema arbeitet.
„Man hätte 1939 und 1940 die Titelseite der New York Times lesen können“, so Laurel Leff, „ohne zu erfahren, dass Millionen von Juden nach Polen deportiert wurden und an Krankheiten und Hunger gestorben sind.“
„Wer sich die Meldungen zusammensuchte, war informiert, aber der Horror wurde zur trockenen Statistik reduziert“, resümierte Leff. Heute kommt der Begriff fast tausendmal pro Jahr vor.
1924 wurden in den USA die Quoten für bestimmte Immigranten stark gesenkt, darunter auch die für Juden. Zudem gab es eine gezielte Politik des US-Außenministeriums, die Erteilung von Visa an Juden zu verzögern. Nach Leonard Dinnerstein („Ethnic Americans – A History of Immigration“) nahmen die USA von 1931 bis 1940 insgesamt 347.000 Immigranten aus Europa auf, davon 55.000 aus nicht besetzten Ländern wie England, der Schweiz oder Irland.
Aus Deutschland kamen 114.000 Einwanderer, aus Österreich-Ungarn 11.500, aus Frankreich 12.500, aus Italien 68.000 – also zusammen rund zweihunderttausend Menschen. Höchstens ein Drittel davon waren Juden. Nach Herbert Strauss („Jewish Immigration of the Nazi Period in the USA“) haben die USA von 1933 bis 1938 etwa 27.000 jüdische Deutsche aufgenommen. Dies waren allesamt gewöhnliche Einwanderer, die auch die üblichen Nachweise erbringen mussten – jedoch keine anerkannten Flüchtlinge.
Iphigene Sulzberger, die Frau des Verlegers, schrieb in ihren Memoiren, die Familie habe zwei Dutzend Verwandte gerettet, indem sie Briefe an die US-Botschaften unterzeichnet habe, man werde in den USA für deren Unterhalt aufkommen. Den Sulzbergers gelang es sogar, eine angeheiratete Kusine aus dem französischen Konzentrationslager Gurs in den Pyrenäen freizukaufen – für dreitausend Dollar Visagebühren.
Aber irgendwann wurde eine Grenze gezogen – und zwar bei Ernst Sulzberger, einem nur entfernten Verwandten. Als dieser Arthur Hays bat, seiner Schwester, deren Familie und seinem Bruder, die bereits neun Monate in einem Konzentrationslager gewesen waren, zu helfen, lehnte der Verleger ab.
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